Paris. Kein Aufatmen rund eine Woche nach dem Terror von Paris: Der mutmaßliche Kopf hinter den Anschlägen ist tot, doch die Sorgen bleiben.
Der mutmaßliche Drahtzieher der Terroranschläge von Paris ist tot - doch die Bedrohung besteht nach Einschätzung der französischen Regierung fort. In Belgien setzte die Polizei bei Antiterror-Razzien im Großraum Brüssel am Donnerstag neun Menschen fest. Auch in Deutschland sorgen sich die Behörden um die Sicherheit. So sollen die Bundesliga-Spiele an diesem Wochenende unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen stattfinden.
Frankreichs Premierminister Manuel Valls sagte am Abend im Sender France 2: Man könne sich vorstellen, dass noch weitere Personen oder Gruppen aktiv sind, die direkt mit den Anschlägen in Verbindung stehen. „Deshalb ist die Bedrohung immer noch da.“
Bei dem dramatischen Polizeieinsatz in Saint-Denis am Mittwoch wurde der 28-jährige belgische Islamist Abdelhamid Abaaoud getötet, der als ein Kopf hinter den Anschlägen galt. Weiter ging die Suche nach Salah Abdeslam, dem Bruder eines der Selbstmordattentäter von Paris.
Abaaoud hielt sich auch in Deutschland auf
Der bei dem siebenstündigen Einsatz nördlich von Paris ums Leben gekommene Abaaoud war im vergangenen Jahr auch in Deutschland. Die Bundespolizei kontrollierte den Belgier am 20. Januar 2014 am Flughafen Köln/Bonn, wie ein Sprecher sagte. Zuvor hatte „Spiegel Online“ darüber berichtet. Laut Medien-Berichten soll er sich mehrfach in Deutschland aufgehalten haben. Abaaoud soll für die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien gekämpft haben.
Frankreichs Premierminister Valls bezeichnete ihn als „eines der Gehirne der Anschläge“. Am Mittwoch war Abaaouds Schicksal zunächst noch unklar geblieben. Acht Menschen wurden bei dem siebenstündigen Einsatz nördlich von Paris festgenommen. Zwei Terrorverdächtige starben, neben Abaaoud wahrscheinlich eine Frau, die sich in die Luft sprengte. Abaaoud war das Ziel des Einsatzes.
600 Durchsuchungen seit den Anschlägen
Der Ausnahmezustand in Frankreich wird voraussichtlich bis Ende Februar verlängert. Die Nationalversammlung verabschiedete mit großer Mehrheit ein entsprechendes Gesetz. Bei einer weiteren Abstimmung am Freitag im Senat, der zweiten Kammer des Parlaments, wird ebenfalls eine klare Zustimmung erwartet. Erweiterte Befugnisse der Sicherheitsbehörden bleiben dann erhalten. Nach Valls` Angaben gab es seit den Anschlägen 600 Durchsuchungen und 157 Hausarreste.
Die muslimische Gemeinde in Paris sagte eine für diesen Freitag geplante Kundgebung gegen den Terror aus Sicherheitsgründen ab.
In Belgien nahm die Polizei bei Antiterror-Razzien neun Verdächtige zum Verhör mit. Das teilte die Staatsanwaltschaft in Brüssel mit. Die Nachrichtenagentur Belga sprach von neun Festnahmen. Laut Staatsanwaltschaft standen die Hausdurchsuchungen im Zusammenhang mit dem Pariser Selbstmordattentäter Bilal Hadfi, der in Belgien lebte. Die Untersuchung gegen Hadfi habe bereits Anfang 2015 begonnen, als dieser nach Syrien ausgereist war.
Kann die Bundeswehr in Deutschland helfen?
Die Absage des Länderspiels Deutschland-Niederlande in Hannover am Dienstag ging auf konkrete Informationen eines ausländischen Geheimdienstes über einen bevorstehenden Terroranschlag zurück. Ein entsprechender Bericht der „Bild“-Zeitung wurde der dpa aus Sicherheitskreisen bestätigt. Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ (Freitag) berichtete unter Berufung auf ein französisches Geheimdienstpapier, der Anführer der angeblich fünfköpfigen Terrorzelle solle einen deutschen Pass besitzen. Die Gruppe habe insgesamt fünf Sprengstoffanschläge geplant. Bisher wissen die Behörden nach offizieller Darstellung aber nicht, ob die Hinweise wirklich zutrafen. Der Generalbundesanwalt nahm Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung auf.
In Deutschland wird zunehmend heftig über einen verstärkten Einsatz der Bundeswehr im Innern diskutiert. Dafür plädierte etwa CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in der „Rheinischen Post“.
Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, hielt solchen Vorstößen in Mainz entgegen: „Ich glaube, dass uns das aktuell nicht weiterhelfen würde.“ Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte in Italien, bei katastrophischen Umständen könne die Bundeswehr tatsächlich auch eingesetzt werden.
Breitenreiter: „Mulmiges Gefühl“
Die Fußball-Bundesliga steht unter dem Vorzeichen erhöhter Wachsamkeit. „Der Schutz von Menschenleben hat höchste Priorität“, sagte Ligapräsident Reinhard Rauball der „Bild“-Zeitung. Aber: „Wir dürfen uns vom Terror nicht einschüchtern lassen.“ Schalke-Coach André Breitenreiter sagte vor dem Topspiel am Sonnabend gegen Bayern München, er habe volles Vertrauen in die Sicherheitsmaßnahmen, aber es bleibe ein mulmiges Gefühl. Mit strengeren Kontrollen sollen auch die Begegnungen in der englischen Premier League ausgetragen werden.
Frankreichs Präsident François Hollande will die Luftschläge gegen IS-Stellungen in Syrien und dem Irak ausweiten. Noch vor einem von Frankreich angekündigten Entwurf für eine UN-Resolution gegen den IS legte Russland einen entsprechenden Entwurf vor. US-Präsident Barack Obama sprach Hollande und den Franzosen in einem Telefonat erneut sein Beileid im Namen der Amerikaner aus. Das US-Abgeordnetenhaus stimmte dafür, Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak nur nach verschärften Kontrollen ins Land zu lassen.