Wie weit darf der Weg zum Doktor sein? Die Ärzte fürchten, dass Praxen schließen müssen. AOK-Chef spricht von Überversorgung in Ballungszentren wie Hamburg.
Berlin/Hamburg. Hamburg will auf die Auseinandersetzung zwischen Ärzten und Krankenkassen um die Standorte von Arztpraxen reagieren. Die Landeskonferenz Versorgung mit Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) hat sich auf einen Katalog von Maßnahmen verständigt. Dabei soll unter anderem geprüft werden, welche Praxen wo liegen. Um die Praxen soll ein Radius gelegt werden (Hausärzte drei Kilometer, Kinderärzte vier Kilometer, Fachärzte zwölf Kilometer), damit man sehen kann, wo sich Versorgungsgebiete überschneiden.
Prüfer-Storcks sagte: „Die haus- und kinderärztliche Versorgung soll insbesondere in den Stadtteilen erbracht werden, in denen die Menschen den größten Bedarf haben. Ich freue mich, dass wir jetzt gemeinsam ein Instrument entwickelt haben, mit dem gezielt auf solche lokalen Versorgungsengpässe reagiert werden kann.“ Zum ersten Mal, so Prüfer-Stocks zum Abendblatt, könne bei der Planung auch die soziale Lage in Stadtteilen und die Altersstruktur berücksichtigt werden.
Hintergrund der neuen Überlegungen sind zwei Gutachten, die die Versorgung in Hamburg zwar für sehr gut, aber an einigen Stellen für verbesserungswürdig halten. „Die Bevölkerung Hamburgs hat einen in Deutschland beispiellos leichten und breiten Zugang zu ärztlicher und psychotherapeutischer Versorgung“, so Dr. Stephan Hofmeister, Vize-Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg.
„Wir haben ein großes Interesse daran, dass für unsere Versicherten die notwendige ärztliche Versorgung vorgehalten wird“, sagte Kathrin Herbst vom Ersatzkassen-Verband Vdek.
Zwischen Ärzten und Krankenkassen gibt es regelmäßig Streit, ob eine Region als überversorgt mit Ärzten gilt. Hamburg gilt im Bundesvergleich grundsätzlich als überversorgt. Dabei, so Senatorin Prüfer-Storcks, stamme etwa jeder Vierte, der in den Praxen der Stadt behandelt werde, aus dem Umland.
Mit Blick auf neue Zahlen zu Facharztpraxen in Deutschland hat AOK-Chef Jürgen Graalmann gefordert, die Arztsitze in Großstädten deutlich zu verringern. Der „Bild“-Zeitung sagte Graalmann: „Eine gute Infrastruktur oder zusätzliche Einkünfte durch Privatleistungen sind oft Kriterien für die Ansiedlung von Ärzten.“ Deshalb gebe es vor allem in den Ballungszentren zu viele Fachärzte. „Diese Reservate müssen weg“, sagte Graalmann.
In Hamburg hatten sich zuletzt die niedergelassenen Ärzte darüber beklagt, dass aufgrund der angekündigten Gesundheitsreform Hunderte Arztstellen abgebaut würden. Patienten berichten außerdem von langen Wartezeiten. Diese sollen allerdings durch eine sogenannte Termingarantie der Bundesregierung verkürzt werden.
AOK-Chef Graalmann reagierte auf Warnungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Die Kassenärzte hatten vorgerechnet, dass 25.000 Praxen schließen müssten, wenn Arztsitze – wie von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geplant – in überversorgten Gebieten aufgekauft werden.
Nach Erhebungen der AOK gibt es allein bei den Orthopäden kein Gebiet in Deutschland, das nicht überversorgt wäre. Insgesamt könnte jede vierte, in Bayern sogar jede dritte Orthopädenpraxis schließen, ohne die Versorgung zu gefährden.