Der BND soll den Drohnenkrieg der USA unterstützen. Frühere NSA-Agenten bestätigen die Dokumente von Edward Snowden. Netzwerk Recherche befasst sich in Hamburg mit dem Thema Medien und NSA.
Berlin/Hamburg. Der frühere NSA-Mitarbeiter Thomas Drake hat im Geheimdienst-Untersuchungsausschuss des Parlaments schwere Vorwürfe gegen den Bundesnachrichtendienst erhoben. Der BND habe sich in einen „Wurmfortsatz der NSA“ verwandelt, sagte Drake in der Nacht zum Freitag im NSA-Ausschuss.
Der BND arbeite eng mit der NSA zusammen und verstoße potenziell gegen das Grundgesetz, indem er Daten des US-Partners nutze. Die Behauptung des BND, man habe dort nichts von der massenhaften Datenüberwachung durch die NSA gewusst, sei angesichts dieser Kooperation „jenseits jeder Glaubwürdigkeit“.
Vor einem Jahr war ans Licht gekommen, dass die National Security Agency (NSA) massenhaft auch in Deutschland Daten ausspäht. Der frühere NSA-Mitarbeiter Edward Snowden hatte die Überwachungspraxis offengelegt. Der Untersuchungsausschuss des Bundestages soll die Spähaffäre aufarbeiten. Dabei geht es auch um die Rolle der deutschen Nachrichtendienste, allen voran des Auslandsgeheimdienstes BND.
„Das Schweigen des BND ist schrecklich“, kritisierte Drake. Die Menschen hätten das Recht, zu erfahren, was geschehe. Die Bundesregierung müsse den BND zwingen, seine Aktivitäten transparenter zu machen und dafür geradezustehen, forderte er. „Man sollte nicht warten, bis es einen deutschen Edward Snowden gibt, der den Schleier lüftet.“
Drake beklagte, BND und NSA streuten aber „kryptologischen Sand“ in die Augen der Menschen, um ihre Verbindungen und „geheimen Schattenbeziehungen“ zu verschleiern. Für die Überwachung deutscher Bürger durch deutsche Geheimdienste gebe es strenge Vorgaben, nicht aber für die Überwachung von Nicht-Deutschen. Drake mahnte, das deutsche Grundgesetz müsse jedoch auch außerhalb Deutschlands gelten. „Die schwache Kontrolle in Deutschland ist hier eine Zeitbombe.“ Eine stärkere rechtliche Kontrolle sei dringend nötig.
Der Ex-Geheimdienstmann erklärte, es sei üblich, dass ein Geheimdienst, wenn er selbst gesetzlichen Beschränkungen unterliege, für Erkenntnisse aus dem eigenen Land auf Informationen ausländischer Partnerdienste zurückzugreifen. „Das ist mehr oder weniger schon Routine geworden.“
Nach Drakes Aussagen lieferte der BND ebenso Daten für den Drohnenkrieg der USA. Auch aus BND-Quellen oder aus Zugängen, die dem BND offenstanden, seien kritische Informationen für solche Operationen gekommen. „Deutschland wurde als Plattform genutzt, um diese Drohnentechnologie zu nutzen.“ Solche Einsätze seien nicht nur von US-Einrichtungen von deutschem Boden aus durchgeführt worden, es habe auch Unterstützung nachrichtlicher Dienste gegeben. Daten seien auch genutzt worden, um Kommando-Entscheidungen zu treffen.
Deutsche Rolle im Drohnenkrieg soll untersucht werden
Unions-Obmann Roderich Kiesewetter (CDU) kündigte an, der Ausschuss werde sich im September eingehend mit der Rolle der deutschen Nachrichtendienste befassen und dazu Zeugen befragen. Der SPD-Obmann Christian Flisek sagte zu, auch die Rolle Deutschlands beim US-Drohnenkrieg werde das Gremium näher beleuchten.
Zuvor hatte auch der frühere NSA-Mitarbeiter William Binney eine massenhafte und fast grenzenlose Datenüberwachung seines Ex-Arbeitgebers angeprangert. Niemand in Deutschland sei davor geschützt. „Das ist wirklich ein totalitärer Ansatz, den man bislang nur bei Diktatoren gesehen hat.“ Ziel sei die Kontrolle der Menschen. „Sie wollen Informationen über alles haben“, sagte der frühere NSA-Technik-Direktor. Binney schied 2001 nach über 30 Jahren aus der NSA aus, Drake war von 2001 bis 2008 dort angestellt.
Netzwerk Recherche vergibt die verschlossene Auster
Unterdessen tauschen sich von diesem Freitag an etwa 600 Journalisten in Hamburg über ihre Arbeit im Lichte der NSA-Affäre aus. Sie werden zur Jahreskonferenz des Vereins Netzwerk Recherche erwartet. Im Jahr nach den Snowden-Enthüllungen wird der Geheimdienst-Skandal dabei eine wichtige Rolle spielen.
Unter anderem soll Sarah Harrison von Wikileaks sprechen, die Edward Snowden bei der Flucht nach Moskau half. Ein weiteres Thema ist die digitale Arbeit von Journalisten: Es gibt Diskussionen über die Darstellung von Daten und darum, ob Drohnen etwa für Fotoaufnahmen genutzt werden sollten.
Das Motto der Konferenz lautet „You'll never walk alone“ und soll einerseits auf Überwachung durch Geheimdienste anspielen, aber auch auf die zunehmende Zusammenarbeit von Journalisten über verschiedenen Medien hinweg. Am Sonnabend verleiht das Netzwerk Recherche den Negativpreis „Verschlossene Auster“, der an Institutionen oder Menschen vergeben wird, die eine Veröffentlichung von Informationen verhindern.