Erstmals seit 1999 gibt es in der Länderkammer in Berlin wieder eine linke Mehrheit. das wollen wollen SPD und Grüne dazu nutzen, die schwarz-gelbe Bundesregierung vor sich her zu treiben.
Berlin. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier freut sich schon, sein Unions-Kollege Volker Kauder (CDU) hebt hingegen warnend den Zeigefinger. Der knappe Wahlsieg von Rot-Grün in Niedersachsen bringt erstmals seit 1999 wieder eine linke Mehrheit im Bundesrat, und die wollen die Sozialdemokraten nutzen. Wenn SPD und Grüne in Hannover wie angekündigt eine Regierungskoalition bilden, dann haben die von SPD, Grünen und der Linken gemeinsam regierten Länder genügend Stimmen zur Anrufung des Vermittlungsausschusses oder um Gesetze anzustoßen.
Insgesamt hat der Bundesrat 69 Mitglieder und genau so viele Stimmen. Jedes der 16 Länder hat, orientiert an der Zahl seiner Einwohner, drei bis sechs Stimmen. In einer Abstimmung dürfen sie nicht aufgeteilt werden. Jedes Gesetz, jede Verordnung, jeder Antrag, jede Entschließung und auch jede Anrufung des Vermittlungsausschusses braucht mindestens 35 Stimmen, um gebilligt zu werden.
Vor der Landtagswahl kam das linke Lager im Bundesrat, dem über die Regierungsbeteiligungen in Brandenburg und Schleswig-Holstein auch die Linke und der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) angehören, auf 30 Stimmen. Mit Niedersachsen kann das linke Lager auf 36 Stimmen zählen ein Sitz mehr als erforderlich. Zum „linken Block“ gehören die rot-grünen Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bremen, die SPD-Alleinregierung in Hamburg, die grün-rote Regierung in Baden-Württemberg sowie die rot-rote Regierung in Potsdam und die gemeinsam von SPD, Grünen und SSW geführte Regierung in Kiel. Hinzu kommt voraussichtlich nun Rot-Grün in Hannover.
Die neue Mehrheit wollen SPD und Grüne dazu nutzen, die schwarz-gelbe Bundesregierung vor sich her zu treiben. Angekündigt haben SPD und Grüne schon Initiativen für einen gesetzlichen Mindestlohn, zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, zum Kitaausbau und zur Abschaffung des Betreuungsgeldes.
Allerdings hat auch die rot-grüne Mehrheit im Bundesrat nicht automatisch eine echte Gestaltungsmehrheit. Beschließt der Bundesrat einen Gesetzentwurf, wird er in den Bundestag eingebracht. Dort muss er wie jeder andere Gesetzentwurf der Fraktionen eine Mehrheit bekommen. Und im Bundestag verfügen Union und FDP ohnehin über 330 von 620 Stimmen.
Mit einer Mehrheit in der Länderkammer wäre das linke Lager aber nicht mehr auf Leihstimmen aus den neutralen Ländern angewiesen, um eigene Gesetzesinitiativen auf den Weg zu bringen oder den Vermittlungsausschuss anzurufen.
Neutral sind in der Logik des Bundesrats Länder, die von CDU und SPD gemeinsam geführt werden. Gemeinsam kommen sie auf 18 Sitze. Unter Führung der CDU sind dies Thüringen und Sachsen-Anhalt mit jeweils vier Sitzen und das Saarland mit drei sowie Berlin mit vier und Mecklenburg-Vorpommern mit drei Stimmen unter Führung der SPD.
SPD-Fraktionschef Steinmeier freute sich am Morgen im ZDF über die „eigene Gestaltungsmehrheit“. Die Bundesratsmehrheit wolle die SPD nutzen, eigene politische Initiativen auf den Weg zu bringen. Es gehe etwa darum, die Einführung des Betreuungsgeldes zu verhindern und einen flächendeckenden Mindestlohn gesetzlich zu verankern, kündigte Steinmeier an.
Kauder ging ebenfalls im ZDF davon aus, dass es im Bundesrat „kaum noch möglich sein wird, Vorhaben durchzubringen, die die SPD nicht machen will“. Damit blockiere die SPD aber nicht die Bundesregierung, sondern die Arbeitnehmer, das Handwerk und die Unternehmen, gab der CDU-Politiker zu bedenken. Mahnend fügte er hinzu: „Da wollen wir mal sehen, ob ihr das nützt.“