FDP legt bei Wahl sensationell zu. Bleibt der Niedersachse jetzt doch Parteichef?
Was ist das für ein Start in das Wahljahr! CDU und FDP beweisen, dass es doch eine gemeinsame Zukunft geben kann, SPD und Grüne zeigen, wie gefährlich sie schwarz-gelben Regierungen werden können, und die Geschichte der Piraten scheint zu Ende, bevor sie so richtig begonnen hat. Das werden extrem spannende Monate bis zur Bundestagswahl im September. Nichts scheint sicher, auch eine weitere Amtszeit der in allen Umfragewerten so beliebten Kanzlerin Angela Merkel nicht. Wenn der Spruch, dass jede Stimme zählt, jemals wahr war, dann jetzt. Was in Niedersachsen zu beweisen war.
Die Wahl am Sonntag hat etwas geschafft, was Politiker sonst umständlich konstruieren müssen: Jede der vier großen Parteien darf sich als Sieger fühlen. Ministerpräsident David McAllister und seine CDU, weil sie auf jeden Fall die stärkste Fraktion im Landtag stellen. SPD und Grüne, weil sie Stimmen hinzugewonnen haben. Und die FDP - ohne Worte! Es ist erst ein paar Tage her, dass die Liberalen um den Einzug in das Parlament gebangt haben.
Es war am Freitag, dass Rainer Brüderle, Fraktionsvorsitzender der Partei im Bundestag, eine schnelle Abstimmung über deren Vorsitzenden Philipp Rösler gefordert hat. Und jetzt das! Ja, der große Sieger ist ein Niedersachse. Aber nein, er wird nicht im nächsten Landtag sitzen. Sonntag war der Tag des Philipp Rösler. Wenn die FDP die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft hätte, wäre er mit Sicherheit und so schnell wie möglich abgesetzt worden. Und nun? Mit einem Ergebnis, das gemessen an der Verfasstheit der Partei mit gutem Recht als Sensation bezeichnet werden kann? Es ist nicht davon auszugehen, dass die Liberalen nun Abbitte bei dem seit Wochen geschmähten Vorsitzenden leisten werden. Aber vielleicht sind sie wenigstens so schlau zu erkennen, dass man gerade als kleine Partei dann besonders stark ist, wenn man zusammenhält.
Der große Partner dürfte im Blick auf die Bundestagswahl froh sein, dass die FDP sich gerade rechtzeitig zu erholen scheint. Dennoch wird die CDU damit leben müssen, auch im September zuungunsten der Liberalen Zweitstimmen zu verlieren - übrigens ganz unabhängig davon, ob man sich zu einer entsprechenden Kampagne pro FDP entschließt oder nicht. Fast noch wichtiger für Angela Merkel und ihr Wahlkampfteam ist eine andere Erkenntnis aus Niedersachsen: Selbst wenn der Abstand zwischen den Spitzenkandidaten von CDU und SPD groß ist, wie im Fall McAllister/Weil oder eben zwischen Merkel/Steinbrück, heißt das nicht automatisch, dass es für eine Regierungsmehrheit reicht. Insofern ist Niedersachsen für Peer Steinbrück die erste gute Nachricht seit Langem - wobei er sich natürlich den Vorwurf wird gefallen lassen müssen, den Sozialdemokraten dort nicht so genützt zu haben, wie man es sich von einem Mann wie ihm versprochen hat. Wer böse ist, wird sagen: Die SPD hat am Sonntag nicht wegen, sondern trotz Steinbrück ein besseres Ergebnis als bei der vorausgegangenen Landtagswahl erzielt.
Aber, wie gesagt: Auf den oder die Einzelne(n) wird es 2013 nicht ankommen. Das bessere Team, die stärkere Gemeinschaft wird entscheidend sein, und vor allem wem es gelingt, seine Wähler optimal zu mobilisieren. Das wird aufregend und anstrengend, und das ist auch gut so.
Ein Lagerwahlkampf mit ungewissem, weil engem Ausgang wird dazu führen, dass sich wieder mehr Menschen für Politik interessieren, engagieren und, vor allem, am Ende wählen gehen. So wie am Sonntag in Niedersachsen.