Die FDP feiert Parteichef Rösler, die CDU die Chance auf Schwarz-Gelb in Hannover und die SPD das Wahlergebnis. Leise Kritik kommt von Spitzenpolitikern aus Hamburg.
Hamburg/Berlin. Eigentlich hätte die CDU ja alle Ziele erreicht: stärkste Partei, mögliche Fortsetzung einer schwarz-gelben Koalition. Die Wahl in Niedersachsen, ein Erfolg. Auch für die Bundes-CDU. So sieht es CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, als er am Sonntagabend, kurz nach den ersten Hochrechnungen, vor die Kameras in Berlin tritt. Und er sagt: "Es gibt ein faires Miteinander in der Koalition." Was er mit dem "fairen Miteinander" genau meint, räumt er dann in den Sätzen danach ein: Es habe ein "Stimmen-Splitting zugunsten der FDP gegeben. Heißt: Christdemokraten haben die FDP gewählt, damit die Liberalen über die Fünf-Prozent-Hürde kommen und ein Fortsetzen von Schwarz-Gelb in Hannover möglich machen.
Die FDP landete bei rund zehn Prozent der Stimmen. Und die CDU verlor mehrere Prozentpunkte. Natürlich wünsche sich Gröhe starke CDU-Ergebnisse, "aber das Wichtigste ist die Stärkung der Koalition in Niedersachsen". Gröhe sieht darin auch eine Stärkung der schwarz-gelben Koalition im Bund. Auch Unionsparlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) sagte im ZDF, er glaube, dass einige CDU-Wähler "bei der FDP ein Kreuz gemacht" haben. Über 100.000 Wähler sind es wohl laut Wahlanalysten gewesen. Und durch die vielen Leihstimmen an die Liberalen, liegt es nun an der schwachen CDU, dass es ein enorm knappes Rennen um eine schwarz-gelbe Regierungsbildung ist.
Hamburgs CDU-Chef Marcus Weinberg teilt die durchweg positive Bilanz des Generalsekretärs Gröhe deshalb auch nicht. "Ich habe ein lachendes und ein weinendes Auge", sagte Weinberg dem Hamburger Abendblatt. Der Stimmenverlust der CDU in Niedersachsen sei enttäuschend. Aber diese Stimmen seien im bürgerlichen Lager geblieben. "Für die FDP ist das ein aufbauendes Ergebnis", sagte Weinberg. Er wünsche sich dennoch von den Liberalen, dass sie sich auf Bundesebene bei Themen wie Lohnuntergrenze stärker auf die CDU zubewegen. Das würde die schwarz-gelbe Koalition in Berlin bis zur Bundestagswahl in acht Monaten noch weiter stärken.
Mit Häme nahm die Opposition in Berlin die hohen Wahlergebnisse der FDP zur Kenntnis. "Eigentlich gibt's die nur, wenn Sie Fremdblutzufuhr kriegt - die Partei existiert eigentlich nicht mehr", sagte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. "Ab heute gibt es im Niedersächsischen Landtag zwei christdemokratische Parteien. Die andere nennt sich zwar FDP, aber innen drin sind christdemokratische Leihstimmen", sagte der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir.
Für Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) stärkt das Ergebnis in Niedersachsen Parteichef Philipp Rösler. Der Wahlerfolg sei auch ein Wahlerfolg für Philipp Rösler. Der stand vor der Wahl stark unter Druck. Nun habe Rösler im niedersächsischen Wahlkampf eine starke Leistung gezeigt, hob Hamburgs FDP-Chefin Sylvia Canel im Abendblatt hervor. Kritik an Rösler blieb insgesamt vorerst aus. Dabei hätte mancher in der FDP-Spitze insgeheim wohl ein mageres Ergebnis rund um fünf Prozent in Kauf genommen - nur um Rösler rasch zu stürzen. Das dürfte nach diesem Ergebnis schwierig werden. Die Analyse im Präsidium heute verspricht Spannung. Wird der Parteitag noch von Mai auf März vorgezogen, wie es Rösler-Gegner wie Fraktionschef Rainer Brüderle verlangt haben?
Selbstkritisch zeigte sich dagegen der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Er räumte ein, dass sein Verhalten der SPD in Niedersachsen und ihrem Spitzenkandidaten Stephan Weil Stimmen gekostet haben dürfte. Es sei ihm "sehr bewusst, dass es aus der Berliner Richtung keinen Rückenwind gegeben hat", sagte Steinbrück in Berlin vor SPD-Anhängern. "Es ist mir auch bewusst, dass ich maßgeblich dafür eine gewisse Mitverantwortung trage." Dafür erntete Steinbrück Applaus der Sozialdemokraten. Auch Parteichef Gabriel sagte, dass die SPD in Niedersachsen Gegenwind durch die Debatten um Peer Steinbrück bekommen hatte. Der Kanzlerkandidat war vor allem durch Äußerungen über höhere Kanzlergehälter und den Verdienst von Nebeneinkünften in Kritik geraten. Hamburgs Bundestagsabgeordnete und Vize-Parteichefin Aydan Özoguz sagte: "Steinbrück ist und bleibt unser Spitzenkandidat für die Bundestagswahl. Die Parteispitze steht geschlossen hinter ihm." Es müsse der SPD in den kommenden Wochen jedoch gelingen, wieder mehr über Inhalte und weniger über Personen zu sprechen, hob Özoguz gegenüber dem Abendblatt hervor.