Daniel Cohn-Bendit ist Vorsitzender für die europäsischen Grünen im EU-Parlament und schreibt für das Hamburger Abendblatt über seine Visionen zu Europa.
Straßburg. Wenn man die europäische Geschichte betrachtet, denke ich an die deutsch-französische Aussöhnung als Traum vom Rhein und an die EU-Osterweiterung als Wunder von der Oder. Jetzt haben wir die Auseinandersetzung am Bosporus, ob die Türkei sich weiter reformiert und eines Tages Mitglied der EU wird. Für die Zukunft wünsche ich mir außerdem eine europäische Verfassung, die einen Grundwerte-Katalog enthält und definiert, wie die Institutionen funktionieren. Die Grenzen Europas sind nicht geographisch, sondern die Grenzen der Funktionsfähigkeit.
Wenn wir so weit sind, und ich weiß nicht, ob das in den nächsten 50 Jahren sein wird, müssen wir uns um den Nahen Osten kümmern. Die EU sollte über eine privilegierte Partnerschaft mit allen ökonomischen Vorteilen mit Israel und einem noch zu gründenden palästinensischen Staat nachdenken. Wir können Israelis und Palästinensern das Modell der Überwindung des Hasses zwischen Deutschland und Frankreich anbieten – der Traum vom Rhein im Nahen Osten.
Eine gemeinsame Sprache brauchen wir nicht – Europa ist Einheit in der Vielfalt. Ob in den nächsten Jahren allerdings noch alle heutigen Mitgliedsländer dabei sind? Ich kann mir vorstellen, dass Großbritannien die EU wieder verlässt