Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker hat Entscheidungen über Euro-Rettungsmaßnahmen für die nächsten Tage angekündigt. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble berät im Laufe des Montags auf Sylt mit seinem US-Amtskollegen Timothy Geithner über die Schuldenkrise und deren Auswirkungen auf die globale Wirtschaft.

München. In der Schuldenkrise stehen Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker zufolge weitere Entscheidungen der Euro-Länder unmittelbar bevor. „Welche Maßnahmen wir ergreifen werden, entscheiden wir in den nächsten Tagen. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren“, sagte Juncker der „Süddeutschen Zeitung“ laut Vorab-Bericht aus der Montag-Ausgabe. Er habe keine Zweifel, dass die Beschlüsse des letzten Euro-Gipfels umgesetzt würden. „Es ist noch zu entscheiden, was genau wir wann machen werden. Das hängt von den Entwicklungen der nächsten Tage ab und davon, wie schnell wir reagieren müssen.“ Dabei werde der Rettungsfonds EFSF zusammen mit der Europäischen Zentralbank handeln. „Wir stimmen uns eng mit der Notenbank ab und wir werden (...) Resultate sehen. Ich will nicht Erwartungen schüren. Aber ich muss sagen,wir sind an einem entscheidenden Punkt angekommen.“

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+++ Spaniens Arbeitslosigkeit auf höchstem Stand seit 1976 +++

Die Länder der Euro-Zone hatten auf ihrem Gipfel Ende Juni auf weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung der Schuldenkrise geeinigt. Unter anderem sollen die Bedingungen für Finanzhilfen gelockert und die Tür für direkte Bankenzuschüsse aus ihrem Rettungsfonds ESM geöffnet werden. Mit den Maßnahmen soll unter anderem der Zinsdruck von Ländern wie Italien und Spanien genommen werden.

„Die Euro-Länder sind an einem Punkt angekommen, an dem sie mit allen verfügbaren Mitteln überaus deutlich machen müssen, dass wir fest entschlossen sind, die Finanzstabilität der Währungsgemeinschaft zu gewährleisten“, sagte Juncker. „Wir sind fest entschlossen, den Euro in seinem Bestand, also mit allen Euro-Ländern, und in seiner Bedeutung zu halten. Alles Geschwätz über den Austritt Griechenlands ist da nicht hilfreich.“ Wer denke, dass die Probleme der Euro-Zone dadurch behoben würden, dass man Griechenland fallen lasse, habe die Ursachen der Krise nicht erkannt. Im Gegenteil würde das Ansehen der Euro-Länder weltweit erheblich beschädigt und es würden enorme Folgeschäden auftreten.

Der britischer Ex-Premierminister Tony Blair hat Deutschland aufgerufen, den Euro zu retten und dabei auch unangenehme Kompromisse einzugehen. Die gegenwärtige Krise sei von existenzieller Bedeutung für Europa, schreibt Blair in einem Gastbeitrag für die „Bild“-Zeitung. „Den Euro jetzt aufzugeben, wäre eine Katastrophe; und zwar wirtschaftlich, nicht nur politisch.“ Die bisherigen Rettungsbemühungen seien unzureichend, schreibt Blair. „Was Europa jetzt braucht, ist eine politische Übereinkunft, in der alle notwendigen Entscheidungen getroffen werden, um den Euro zu festigen. Deutschland muss einer Form der Vergemeinschaftung von Schulden zustimmen, wie etwa von den fünf Wirtschaftsweisen vorgeschlagen, und gleichzeitig steuerliche Anreize in Aussicht stellen, die dann auch umgesetzt werden.“

+++ Schnelle Entscheidungen in Eurokrise +++

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Das Euro-Schuldenkrise alarmiert auch die USA: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble berät im Laufe des Montags mit seinem US-Amtskollegen Timothy Geithner über die Schuldenkrise und deren Auswirkungen auf die globale Wirtschaft. Das Treffen findet in Schäubles Urlaubsort auf Sylt statt. Anschließend reist Geithner weiter nach Frankfurt, wo er mit Draghi zusammenkommen soll. Die USA haben wiederholt energischere Anstrengungen zur Überwindung der Schuldenkrise angemahnt. Zuletzt hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der italienische Ministerpräsident Mario Monti am Wochenende versichert, sie wollten alles tun, um die Euro-Zone zu schützen. Ähnlich hatten sich Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande in einer Erklärung am Freitag geäußert.

Mit der Absicht zu beruhigen, versicherte Schäuble in der „Welt am Sonntag“, dass für Spanien mit seinem maroden Bankensystem kein neues Hilfsprogramm – über die bisher zugesagten 100 Milliarden Euro hinaus - geplant sei. „Nein, an diesen Spekulationen ist nichts dran“, sagte Schäuble der Zeitung auf die Frage, ob Spanien einen Antrag bei den Partnern stellen könnte, dem Rettungsfonds EFSF den Kauf von Staatsanleihen zu ermöglichen.

Wie schon zuvor mit dem französischen Präsidenten François Hollande gab Merkel auch mit Monti eine Art Garantie-Erklärung für den Euro ab. Nach einem Telefonat mit Monti über die Lage in der Eurozone erklärte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Sonntag: „Sie waren sich einig, dass Deutschland und Italien alles tun werden, um die Eurozone zu schützen.“

Beide Politiker seien sich einig gewesen, dass die Schlussfolgerungen des EU-Gipfels vom 28. und 29. Juni so rasch wie möglich umgesetzt werden müssten, so Streiter. Merkel lud Monti zu einem Besuch nach Berlin in der zweiten Augusthälfte ein.

Notenbank-Chef Draghi hatte erst am Donnerstag gesagt, die EZB werde „alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten“. Er deutete an, dass die EZB wieder Staatsanleihen von Krisenländern aufkaufen könnte. Das hatte die Aktienkurse in Europa und den USA beflügelt.

Die „Süddeutsche Zeitung“ (Samstag) berichtete über Pläne in Brüssel, wonach die EZB im Namen des Rettungsschirms EFSF spanische Anleihen aufkaufen solle. Das gab es bisher nicht. In eigener Verantwortung hat die EZB mehrmals Staatsanleihen erworben – für insgesamt mehr als 200 Milliarden Euro.

Die Krise Spaniens, das neben den Banken auch das Problem hoch verschuldeter Regionen hat, hält Schäuble für beherrschbar. Die derzeit hohen Zinsen seien zwar schmerzlich, „und sie schaffen eine Menge Beunruhigung, aber die Welt geht nicht unter, wenn man bei einigen Anleiheauktionen ein paar Prozent mehr zahlen muss“. Kurzfristig sei der Finanzbedarf „nicht so groß“. Die spanische Regierung verwirkliche Reformen wie die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Kürzung der Beamtenpensionen – „dafür gebührt ihr Respekt“. „Die Finanzmärkte honorieren diese Reformen noch nicht, aber das wird noch kommen“, fügte Schäuble hinzu.

Unverständnis provozierten Äußerungen des spanischen EU-Ministers Íñigo Méndez de Vigo in Deutschland. Er verlangte von den Deutschen mehr Solidarität. „Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Deutschland in einer weitaus schwierigeren Situation auch sehr geholfen, viele Länder haben auf Geld zugunsten Deutschlands verzichtet. Das sollte Deutschland nicht vergessen“, sagte Méndez der „Bild“-Zeitung. „Man bekommt das Gefühl, dass einige Politiker eine Pleite förmlich herbeireden wollen.“

Für die CSU wies Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt die Kritik zurück. „Deutschland hat in all den Monaten, in denen wir diese wichtigen Entscheidungen in Bezug auf den Euro getroffen haben, Solidarität gezeigt. Da haben wir keinen Nachholbedarf“, sagte Hasselfeldt der Nachrichtenagentur dpa. Zugleich wies sie die Forderung Griechenlands nach einem Aufschub des Sparpakets um zwei Jahre zurück.

Aus Athen gab es Fortschritte zu berichten. Das 11,5 Milliarden Euro schwere neue griechische Sparprogramm soll nach Regierungsinformationen größtenteils unter Dach und Fach sein. Die Vorsitzenden der regierenden Koalitionsparteien, der Sozialisten und der Demokratischen Linken, Evangelos Venizelos und Fotis Kouvelis, wollen sich am Montagabend mit dem konservativen Regierungschef Antonis Samaras treffen, um noch offene Fragen zu klären, wie die dpa aus Kreisen der Sozialisten und der Demokratischen Linken erfuhr. Die Regierung versucht mit allen Mitteln, zeitliche Erleichterung zu bekommen.

Trotz der jüngsten Entscheidung der Ratingagentur Moody's, den Ausblick für die Topbonität Deutschlands auf „negativ“ zu senken, erwartet Schäuble kein höheres Zinsniveau: „Nein, da bin ich schon vor Urlaubsantritt entspannt.“ Er „halte die Entscheidung von Moody's für falsch. Natürlich sorgt die Krise in der Euro-Zone für Risiken. Aber kein Land profitiert so von der Gemeinschaftswährung wie Deutschland.“

Das finanziell angeschlagene Spanien taumelt unterdessen mitten in der Schuldenkrise immer tiefer in die Rezession. Das Bruttoinlandsprodukt schrumpfte von April bis Juni um 0,4 Prozent zum Vorquartal, wie das nationale Statistikamt am Montag auf Basis vorläufiger Daten mitteilte. Damit verliert die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone konjunkturell noch mehr an Boden und gilt weiter als nächster Kandidat für den Rettungsschirm. Bereits Ende 2011 und Anfang 2012 war die Wirtschaftskraft um je 0,3 Prozent geschrumpft.

Die Rezession treibt die Arbeitslosigkeit zudem auf den höchsten Stand seit der Rückkehr zur Demokratie Mitte der 1970er Jahre. Die Arbeitslosenquote kletterte im zweiten Quartal auf 24,6 Prozent. Ein höheres Niveau hat es seit Einführung der Statistik 1976 – und damit ein Jahr nach dem Tod des langjährigen Diktators Franco – nicht gegeben.

(rtr/dpa/dapd)