Mit 91,6 Prozent ist Gabriel in seinem Amt als SPD-Chef bestätigt worden. Ein gutes Ergebnis. Den Medienwirbel um die Kanzlerkandidatenfrage nimmt er “heiter und gelassen“. 2012 mache er einen Vorschlag für den Merkel-Herausforderer.
Sigmar Gabriel kann mit diesem Bundesparteitag und dem Ergebnis seiner Wiederwahl zufrieden sein. Mit 91,6 Prozent ist Gabriel als SPD-Chef in seinem Amt bestätigt worden. Das ist mehr, als so mancher erwartet hätte. 2009 hatte Gabriel bei seiner ersten Wahl eine Zustimmung von 94,2 Prozent erhalten. Fast ebenso viele Sozialdemokraten stärkten dem 52-Jährigen auch bei der diesjährigen Wahl den Rücken. Damit zieht die SPD mit Sigmar Gabriel als Parteichef in die Bundestagswahl 2013. Doch auf den Posten des Kanzlerkandidaten will Gabriel deshalb noch lange nicht verzichten.
In einer 90-minütigen Grundsatzrede forderte Gabriel die Genossen auf, den Medienwirbel um den SPD-Kanzlerkandidaten 2013 „heiter und gelassen“ zu ertragen. Er werde Ende 2012 einen Vorschlag machen, wer kandidieren soll. „Und dann entscheidet die Partei – und sonst niemand“, betonte der SPD-Vorsitzende.
Gabriel verzichtet nicht
„Hier gibt es kein Casting. Die, die das schreiben, verstehen zu wenig von Politik“, sagte Gabriel über den Parteitag, der als „Schaulaufen“ der drei möglichen Kanzlerkandidaten der SPD interpretiert worden war. Neben Gabriel gehören dazu der Finanzexperte Peer Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Nun werde sicher geschrieben: „Gabriel kandidiert und verzichtet zugleich. Das tue ich nicht“, stellte der Parteichef klar.
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Mit Blick auf den Kanzler ab 2013 fügte Gabriel hinzu: „Klar ist: Angela Merkel ist es dann nicht mehr.“ Die SPD sei jetzt „wieder im Spiel und in manchen Umfragen wieder auf Augenhöhe mit der Union“.
Der Vorsitzende betonte: „Wir wollen mit den Grünen als Koalitionspartner regieren. Das ist eine echte Veränderungspolitik in Deutschland“. Man müsse Koalitionen mit Inhalten begründen „und nicht nur mit purer Machttaktik“, sagte Gabriel unter Anspielung auf die schwarz-gelbe Koalition. „Wir wollen keine Liebesheirat, kein Projekt, sondern wir wollen gemeinsame Politik machen.“
Einer großen Koalition erteilte der SPD-Chef eine Absage. Eine Partei, „die 148 Jahre alt ist, die kann kein Juniorpartner sein, sondern muss die Regierung führen“, erklärte Gabriel mit Blick auf die lange Tradition der SPD.
Werben um politische Mitte
Vor den rund 500 Delegierten des Parteitags buhlte Gabriel um die politische Mitte. „Politik für die Mehrheit und die Mitte in Deutschland: Das ist wieder Mitte-Links“, sagte der SPD-Chef. Union und FDP hätten die Deutungshoheit über die Mitte längst verloren.
Gabriel warb für eine neue „Allianz der Gerechtigkeit“ im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise und den „gnadenlosen Kasinokapitalismus“. „Unsere soziale Marktwirtschaft ist nicht die, die sich die Finanzmärkte wünschen. Deshalb müssen wir sie zurückerobern“, rief der SPD-Chef.
Merkel hat „Krise vergrößert“
Zugleich warf der SPD-Vorsitzende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Versagen in der europäischen Schuldenkrise vor. Merkels Politik habe „die Krise vergrößert“. Es sei „verheerend“, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung die Finanzmarkt-Besteuerung nicht vorantreibe. Im Gegensatz zur CDU-Chefin wolle die SPD keine „marktkonforme Demokratie“. Gabriel betonte unter dem Beifall der rund 500 Delegierten: „Wir wollen einen demokratiekonformen Markt.“
Die SPD hat nach den Worten ihres Vorsitzenden „ihre größte Krise der vergangenen Jahre“ überwunden. Die Partei habe die Zeit seit dem Parteitag vor zwei Jahren in Dresden „genutzt und hart gearbeitet“. Die erfolgreichen Landtagswahlen des Jahres 2011 hätten der SPD „ihren Stolz wiedergegeben“, sagte Gabriel unter dem Beifall der Delegierten.
Trotz leichter Einbußen im Vergleich zum Dresdner Parteitag vor zwei Jahren zeigt sich der SPD-Vorsitzende mit seinem Abschneiden bei der Wiederwahl äußerst zufrieden. Am Rande des Berliner Parteitags sprach Gabriel von einem „ehrlicheren Ergebnis als in Dresden“. Er sei nicht „everybody's darling“ in der Partei. Dennoch freue er sich, dass er trotz seines konfliktreichen Kurses der Erneuerung der SPD ein „so hohes Maß an Zuspruch“ erhalten habe.
Engere Parteispitze neu gewählt
Als Stellvertreter Gabriels wurden NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, die Arbeitsministerin in Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, sowie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit wiedergewählt. Erstmals kandidierte die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz. Sie erhielt 86,8 Prozent der Stimmen. Das beste Ergebnis der stellvertretenden SPD-Parteivorsitzenden erzielte Kraft mit 97,2 Prozent.
Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles wurde mit 73,2 Prozent der Delegiertenstimmen im Amt bestätigt. In Dresden vor zwei Jahren hatte Nahles nur 69,6 Prozent erhalten. Auf dem Berliner Parteitag wollten die Delegierten am Montag außerdem über die Familien-, Bildungs- und Arbeitspolitik sowie die Alterssicherung beraten.