2,50 Euro soll jeder Haushalt mehr zahlen. Doch der Ausbau der erneuerbaren Energien könnte den Strompreis weiter in die Höhe treiben.
Berlin. Sie sind eine Art Wächter über die Energiewende. Sie werden kontrollieren, ob der Netzausbau planmäßig verläuft und welche neuen Kraftwerke notwendig sind. Vor allem aber sollen sie Alarm schlagen, wenn die Kosten für die Stromverbraucher aus dem Ruder laufen könnten. Das am Mittwoch von der Bundesregierung eingesetzte vierköpfige Kontrollgremium unter Vorsitz des Volkswirts Andreas Löschel vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung dürfte viel zu tun haben. Wie schwierig die Aufgabe sein wird, zeigt die aktuelle Debatte um die Netzentgelte. Bis zu 4450 Kilometer neue Stromautobahnen und Tausende Kilometer neue Verteilnetze in Städten und Kommunen sind nötig, um den plötzlich überall erzeugten Strom etwa aus Wind- und Solarparks zu den Verbrauchern zu bringen.
Netzentgelte werden ebenso wie die Ökoenergieförderung über den Strompreis bezahlt. Zwar kann die Umlage zum Ausbau der erneuerbaren Energien 2012 mit Mehrkosten von etwa 2,50 Euro pro Jahr und Durchschnittshaushalt im Griff gehalten werden, doch die Netzkosten könnten diesen Erfolg der Regierung wieder auffressen und großen Unmut beim Blick auf die Stromrechnung auslösen.
Der Energiekonzern und Netzbetreiber EnBW will seine Netzentgelte zum 1. Januar 2012 um durchschnittlich zwölf Prozent erhöhen. E.on als einer der größten Betreiber von Verteilnetzen will die Entgelte zum Jahreswechsel um 7 bis 13 Prozent anheben. Mit Mehrwertsteuer sind das bis zu ein Cent pro Kilowattstunde mehr als bisher. Wird dies voll an die Stromendkunden weitergegeben, könnten in diesem Fall Mehrkosten für einen Durchschnittshaushalt von 35 bis 40 Euro drohen.
Das Ganze hat vor allem zwei Gründe: Zum einen hatte der Bundesgerichtshof im Juni die Deckelung der Entgelte in der Regulierungsperiode 2009 bis 2013 für ungültig erklärt. Damit können diese nun erhöht werden. Hinzu kommen als Kostentreiber Vergünstigungen für die Industrie. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) warf den Grünen in diesem Zusammenhang jüngst Industriefeindlichkeit vor: „Der Unterschied zwischen Union und Grünen ist, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern und gleichzeitig Industrieland bleiben wollen“.
Um Industriebetriebe im Land zu halten, sind Unternehmen mit einem Verbrauch von mehr als zehn Millionen Kilowattstunden pro Jahr in der neuen Stromnetzentgeltverordnung von Netzentgelten ganz befreit worden. Das bringt Aribert Peters, den Vorsitzenden des Bundes der Energieverbraucher, auf die Palme: „Es mutet wie ein schlechter Witz an, dass ausgerechnet die Firmen, die die Netze am intensivsten nutzen, dafür nun nichts mehr zahlen müssen“.
Peters schätzt die Mehrbelastung für die anderen Stromverbraucher, die diesen Ausfall zu kompensieren haben, auf jährlich bis zu eine Milliarde Euro. Der Rabatt war im Zuge des Atomausstiegs der Industrie zugebilligt worden – aber bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Die Grünen rechnen mit Mehrkosten von jährlich bis zu 50 Euro pro Haushalt nur durch steigende Netzentgelte. Auch ein Sprecher der Bundesnetzagentur bestätigt, dass die Regelung Verbraucherkosten treiben kann.
Aus Gründen der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sind Hunderte Unternehmen auch weitgehend von der Ökostrom-Umlage befreit. Wenn sie die volle Umlage zur Förderung von Energie aus Sonne oder Wind zu zahlen hätten, würde ein Durchschnittshaushalt aber nur um knapp 1,70 monatlich entlastet, rechnet die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Hildegard Müller, vor: „Dies sollte uns der Erhalt des Industriestandortes Deutschland wert sein.“ (dpa)