Die Ortschaft Al-Rastan, in der sich etwa 2000 desertierte Soldaten verschanzt hatten, wurde durch den Beschuss fast vollständig zerstört.
Damaskus/Beirut. Dramatische Entwicklung im Nahen Osten: Mit etwa 250 Panzern und gepanzerten Fahrzeugen ausgerüstet, haben syrische Truppen am Sonnabend die schwer umkämpfte Ortschaft Al-Rastan gestürmt. Nach fünf Tagen heftiger Kämpfe gegen bewaffnete "Terroristen“ seien Recht und Gesetz in der Stadt wieder hergestellt, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SANA. Dort hatten sich in den vergangenen Tagen desertierte Soldaten verschanzt. "Die Stadt ist fast vollständig durch den Beschuss zerstört“, berichteten Oppositionsaktivisten im benachbarten Libanon. Bis zum Morgen seien bereits zehn Deserteure in den Kämpfen ums Leben gekommen. "Gegenwärtig wird noch im Norden von Al-Rastan gekämpft“, sagte der Aktivist.
Nach Darstellung der Opposition haben sich in Al Rastan etwa 2000 Deserteure verschanzt. In den vergangenen Tagen häuften sich Berichte über steigende Zahlen von fahnenflüchtigen Soldaten und auch Offizieren der syrischen Armee, die sich weigern, auf Anordnung des Regimes auf das eigene Volk zu schießen
Menschenrechtler: Syrischer Student in Todesgefahr
Menschenrechtler haben die syrische Führung aufgerufen, einen von ihren Sicherheitskräften gefolterten Studenten freizulassen. Die in London ansässige Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter teilte am Sonnabend mit, Anas al-Schoghri (23) sei am 14. Mai in der Stadt Banias festgenommen worden.
Ein Bruder des jungen Mannes habe nun erfahren, dass er vor einigen Tagen in ein Gebäude des Geheimdienstes (Abteilung Innere Sicherheit) in Damaskus verlegt worden sei. Dort habe man ihn schwer gefoltert. Er habe Verletzungen am Kopf und schwebe in Lebensgefahr. Die Organisation erklärte, der Student sei der erste Demonstrant in Banias gewesen, der "die Angst (vor dem Regime von Präsident Baschar al-Assad) überwunden hatte“.
Die syrische Opposition glaubt, dass seit Beginn der Proteste gegen das Regime im März bereits mehr als 3000 Menschen getötet wurden. 90 Menschen sollen angeblich zu Tode gefoltert worden sein. Einige dieser Fälle wurden mit Fotos dokumentiert. Eine Überprüfung dieser Informationen ist jedoch wegen der Medienblockade oft nicht möglich.
Syrische Opposition bildet Nationalrat gegen Assad
Die syrische Opposition hat am Sonntag in Istanbul einen Nationalrat gebildet. Ziel dieses Gremiums soll es sein, die Revolte gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu steuern. Zudem will der Rat, der zunächst von dem Sorbonne-Professor Burhan Ghalijun geleitet wird, die Protestbewegung auf internationaler Ebene vertreten.
Ghaljun sagte in einer Ansprache, die von arabischen TV-Sendern übertragen wurde: "Uns geht es darum, eine gemeinsame Front zu bilden, um den Massakern, die täglich begangen werden, etwas entgegenzusetzen.“ Die syrischen Demonstranten benötigten den Schutz der internationalen Gemeinschaft, fügte er hinzu.
Seit Beginn der Protestwelle im vergangenen März hatten sich schon mehrere "Übergangsräte“ gebildet, die jedoch nicht von allen Oppositionsgruppen anerkannt wurden. Angesichts der zunehmenden Gewalt in Syrien rauften sich die verschiedenen Gruppen, die vom liberalen Flügel bis zu den Islamisten reichen, jetzt zusammen. Auch die in Syrien verbotene Muslimbruderschaft gehört dem neuen Rat an. (dpa)