Opposition kritisiert hohe Hürden für Geringverdiener. Ministerin von der Leyen will private Rente verpflichtend machen, um Altersarmut zu stoppen.
Berlin. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen hat ihre Pläne für die Zuschussrente gegen Vorwürfe verteidigt, die Hürden seien viel zu hoch gesetzt. „Ein Rentensystem lebt davon, dass es in sich balanciert und gerecht ist“, betonte die CDU-Politikerin. Ihr sei die Balance zwischen sozialem Schutz und den richtigen Anreizen für eine Privatvorsorge sehr wichtig. Die Voraussetzung von 35 Beitragsjahren sei aus der normalen Rente gut bekannt. Außerdem werde sie durch die zehnjährige Übergangszeit abgemildert, in der nur 30 Beitragsjahre für den Empfang der Zuschussrente nötig seien, die die eigene Rente auf 850 Euro aufstocken soll.
Dies sei ein Entgegenkommen für eine Gruppe, die es schwer habe, die geforderten Beitragsjahre zusammenzubringen. Der Alternativvorschlag einer Rente nach Mindesteinkommen würde gerade alleinerziehende Frauen, die gemeinsam mit Geringverdienern das höchste Risiko von Altersarmut trügen, deutlich schlechter stellen, warnte die Ministerin. Damit würde Lohn und damit das typische männliche Arbeitsmodell bewertet, nicht aber Erziehungs- und Pflegezeiten. „Damit fallen ganz, ganz viele Frauen wieder raus“, sagte von der Leyen. Ein solches System wäre weniger gerecht, dafür aber viel teuerer.
Die Zuschussrente mit einer Aufstockung der Altersbezüge auf 850 Euro dagegen biete gerade für Geringverdiener und alleinerziehende Frauen mit einer gebrochenen Erwerbsbiografie einen starken finanziellen Anreiz, sagte die Ministerin. 850 Euro Rente würden sonst nur bei einer Vollzeittätigkeit mit einem Stundenlohn von zwölf Euro erreicht.
„Mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro kommt man heute nicht aus der Grundsicherung raus, sondern es bedarf schon eines Lohnes von zehn Euro, um knapp über der Grundsicherung zu liegen“, erklärte die CDU-Politikerin. Drei Viertel der künftigen Bezieher der Zuschussrente dürften nach ihren Worten Frauen sein.
Zu Beginn soll die steuerfinanzierte Zuschussrente nach Aussage der Ministerin den Staat einen zweistelligen Millionenbetrag kosten. In 20 Jahren dürften die Kosten dann bei 2,5 Milliarden Euro liegen. Die Pläne seien mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) noch nicht abgestimmt. Sie sei jedoch zuversichtlich, dass die Koalition das Vorhaben gemeinsam vorantreiben werde, da dies den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag entspreche, sagte von der Leyen.
Nach den Plänen der Arbeitsministerin sollen die Zuschussrente diejenigen Menschen erhalten, die 45 Jahre lang Mitglied der Rentenversicherung waren sowie 35 Jahre Beitrag zahlten und ebenso lang private Vorsorge leisteten. Am Anfang sollen noch 30 Beitragsjahre und fünf Jahre Privatvorsorge ausreichen. Zu Beginn rechnet von der Leyen mit etwa 20.000 Neurentnern, die die Zuschussrente brauchen. Binnen zehn Jahren werde ihre Zahl auf etwa 250.000 steigen, im Jahr 2035 dürften 1,1 Millionen Rentner die Leistung benötigen.
Derzeit liege das Durchschnittseinkommen eines Rentners zwischen 1200 und 1500 Euro, sagte die Ministerin. 97,5 Prozent aller Menschen über 65 Jahren in Deutschland kämen mit ihrer Rente aus. Zudem sorgten die Menschen zunehmend privat vor: Derzeit würden 15 Millionen Betriebsrenten und 15 Millionen Riester-Renten staatlich gefördert. Das sei ein gutes Signal.
Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt hat die Zuschussrente im Prinzip gutgeheißen, jedoch auch vor einer falschen Reform der Rente gewarnt: „Die vorgeschlagenen Leistungsausweitungen dürfen die langfristigen Beitragssatzziele der gesetzlichen Rentenversicherung nicht gefährden, weil sonst die in den letzten Jahren mühsam hergestellte finanzielle Tragfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung wieder aufgeweicht wird“, sagte Hundt. Es sei ein richtiges Ziel, Altersarmut auch künftig zu vermeiden. „Der beste Weg zur Vermeidung von Altersarmut ist und bleibt eine möglichst durchgehende Beschäftigungsbiografie. Darauf müssen die Anstrengungen gerichtet werden.“
Die geplante Zuschussrente müsse aus Steuermitteln finanziert werden, nicht über die Beiträge. „Die Beitragszahler dürfen nicht für die Finanzierung von Rentenleistungen herangezogen werden, die unabhängig von der Höhe der gezahlten Beiträge erbracht werden.“ Auch müsse das Partnereinkommen auf die Zuschussrente angerechnet werden.
Der SPD-Rentenexperte Anton Schaaf warf Ministerin von der Leyen vor, die Bedingungen für die Zuschussrente seien zu streng. „Damit würde eine Grundsicherung 1. und 2. Klasse geschaffen“, sagte Schaaf. Die Grünen-Abgeordnete Katrin Göring-Eckhardt nannte das „mit Riesen-Tam-Tam“ angekündigte Konzept „einen aufgeblasenen Zwerg“. Claudia Winterstein von der FDP sagte: „Der Blick für das Machbare darf nicht verloren gehen.“ (rtr/abendblatt.de)