Noch ist völlig offen, ob sich die CDU, wie vom Arbeitnehmerflügel gewünscht, zu einer Lohnuntergrenze durchringen kann.
Berlin. Kurz vor dem Leipziger Parteitag hat Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ihre Partei um Zustimmung für einen Mindestlohn gebeten. „Wichtig ist jetzt, dass die CDU grundsätzlich Ja zu einer allgemeinen, verbindlichen Lohnuntergrenze sagt“, sagte sie der Berliner „Tageszeitung“. Dann müsse darüber diskutiert werden, wie diese Untergrenze am besten ermittelt werden könne. Von der Leyen schlug dazu ein unabhängiges Gremium aus Vertretern von Gewerkschaften, Arbeitgebern und Wissenschaftlern vor.
+++Kommentar: Klug eingelenkt, Frau Kanzlerin+++
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine Anbindung an Zeitarbeits-Mindestlöhne von gut sieben Euro pro Stunde ab und tritt für differenzierte regional- und branchenspezifische Regelungen ein. Dazu sagte von der Leyen: „Wir dürfen die Tariflandschaft nicht zersplittern in unzählige Mindestlöhne. Das führt in der Praxis zu schwierigen Abgrenzungsfragen und schwächt so den gewollten Schutz der Arbeitnehmer.“ Man dürfe aber auch nicht „von vornherein die Tür zuschlagen für wenige begründete Unterschiede“.
Der Vorsitzende der CDU-Arbeitnehmerorganisation CDA, Karl-Josef Laumann, rechnet nach eigenen Worten mit der Einführung des von ihm geforderten gesetzlichen Mindestlohns nicht mehr in dieser Legislaturperiode. Er führte dafür im Radiosender SWR2 den Widerstand der FDP an. Es gehe ihm – so Laumann – vor allem darum, die Programmatik der CDU weiterzuentwickeln.
SPD, Linke und Grüne warfen der CDU im Bundestag „Rumeierei“ vor. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nannte die Kanzlerin den „Wackel-Dackel dieser Bundesregierung“. Merkel sei „mal wieder umgefallen“, indem sie die Lohnuntergrenze durch regionale und branchenbezogene Abweichungen „zum Schweizer Käse macht“. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro sei unverzichtbar.
Grünen-Chef Cem Özdemir hielt Merkel vor, sie drehe „Pirouetten und verkauft diese dann als Vorwärtsbewegung“. Die sozialpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, kritisierte, die Kanzlerin wolle mit dem Mindestlohn-Vorstoß lediglich „ein Wahlkampfthema vom Tisch räumen und sich hübsch machen für andere Koalitionspartner“.
Der CDU-Abgeordnete Peter Weiß sagte, unter CDU-Kanzlerschaft seien in zehn Branchen Mindestlöhne für allgemeinverbindlich erklärt worden. „Mindestlöhne sind das Markenzeichen der CDU“, rief er aus. Er erntete dafür Gelächter und einen Zwischenruf aus den Reihen der Opposition: „Und die Erde ist eine Scheibe“.
Redner von Union und FDP sprachen sich übereinstimmend gegen einen allgemeinen Mindestlohn aus. FDP-Fraktionsvize Heinrich Kolb verwies dazu auf den Koalitionsvertrag. Der Niedriglohnsektor sei von SPD und Grünen „politisch gewollt“ eingeführt worden, und er biete Einstiegschancen für Arbeitslose. „Ein Mindestlohn schadet den Menschen, die einen Arbeitsplatz suchen“, sagte Kolb.
Die Gewerkschaften forderten erneut einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki kritisierte den Vorschlag Merkels mit nach Regionen und Branchen differenzierten Lohnuntergrenzen. „Das Ergebnis wäre ein intransparentes Wirrwarr von nicht existenzsichernden Tarifen“, sagte Matecki der Nachrichtenagentur dpa. Für Verdi-Gewerkschaftschef Frank Bsirske ist ein Mindestlohn von 8,50 Euro „überfällig“.
(dpa/abendblatt.de)