Integrationsdebatte, viele Auslandsreisen und die jüngste First Lady. Kommt Wulff bei den Bürgern an? Stimmen Sie ab bei abendblatt.de.

Berlin/Hamburg. Nummer zehn gilt als Softie. Kommt aus Hannover, hat der Bundeskanzlerin Angela Merkel selten widersprochen, hat als erster Kandidat gerne zugegriffen, als Horst Köhler aus Schloss Bellevue floh. Christian Wulff, ehemaliger Ministerpräsident in Niedersachsen, ist seit einem Jahr der zehnte Bundespräsident Deutschlands. Es war eine knappe Wahl, bei der Wulff sich erst im dritten Wahlgang in der Bundesversammlung gegen Joachim Gauck durchsetzte. Viele Abgeordnete und Wahlmänner und –frauen hatten der schwarz-gelben Bundesregierung einen Dämpfer erteilen wollen – und Wulff war nur der falsche Adressat des Ärgers. Am Ende waren alle froh, für den zurückgetretenen Köhler einen Mann von Rang für das höchste Staatsamt gewonnen zu haben.

Das Jahr im Amt hat Wulff mit Verve und Aktivismus gestaltet – und es hat ihn geprägt. Die Debatte um Muslime und Integration hat er mitgeprägt – auch in der Türkei, als er sich als Präsident aller in Deutschland lebenden Menschen vorstellte. Es flog auch mal ein Ei auf Wulff, der als erster Bundespräsident mit einer Patchwork-Familie ins Schloss Bellevue zog. Und er hat die bislang jüngste First Lady der deutschen Geschichte, Bettina Wulff, eine Frau mit Selbstvertrauen und Tattoo.

An diesem Freitag feiern die Wulffs mit 5600 Gästen ihr Sommerfest im Garten von Schloss Bellevue. Erstmals sind zu dem Fest auch Kinder eingeladen: Unter den Gästen werden 600 Jungen und Mädchen sein, wie das Präsidialamt mitteilte. Zum Sommerfest unter dem Motto „Zusammenhalt fördern“ sind Repräsentanten des öffentlichen Lebens ebenso eingeladen wie Bürger aus allen Bundesländern, die sich ehrenamtlich engagieren. Das Bühnenprogramm ist auf die jungen Gäste eingestellt: Auf einer Bühne im Park treten unter anderem die Berliner Band Silly, der Sänger Rolf Zuckowski mit seiner Tochter Anuschka & Band, der Circus Mondeo und die Breakdance-Tanzgruppe Flying Steps auf.

Wulff kommt nicht bei allen an. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast hat jedoch ein positives Fazit nach einem Jahr Amtszeit von Wulff gezogen. „Seine Rede vom 3. Oktober war richtig und gut. Damit hat Christian Wulff programmatisch etwas ausgelöst: Den Deutschen hat er klar gemacht, dass der Islam zu uns gehört. Und den Türken hat er 14 Tage später zur Kenntnis gebracht, dass das Christentum auch zur Türkei gehört“, sagte Künast der „Leipziger Volkszeitung“. Sie fügte hinzu: „Ich kann nur sagen: Bitte weitermachen. Mehr davon.“

Dieser Satz zu den Muslimen wurde schon zum Leitmotiv seiner Präsidentschaft gemacht. Aber mit seinen Besuchen in bislang mehr als 20 Ländern und einem steten Strom von Terminen in Deutschland ist er so umtriebig wie kaum einer seiner Vorgänger. Er selbst sieht sich inzwischen „im Amt angekommen“. Wulff ist beliebt, das ergab eine Umfrage im Auftrag der „Bild am Sonntag“. 80 Prozent empfinden ihn als persönlich sympathisch. Doch etwa genau so viele wünschen sich mehr „klare Kante“. „Den Deutschen ist Wulff zu leise“, heißt die Schlagzeile in der Sonntagszeitung.

Im „Spiegel“ war zuletzt ein überaus kritisches Stück zu Wulff zu lesen. Eine richtige Vision, eine packende Agenda habe Wulff nicht. Der Anfang seiner Amtszeit war holprig. Einen lange zuvor gebuchten Urlaub, den er als frisch gekürter Bundespräsident in der Villa des umstrittenen Unternehmers Carsten Maschmeyer auf Mallorca verbrachte, hat Wulff inzwischen auch öffentlich als Fehler abgehakt. Die Debatte über sein Vorpreschen im Fall Thilo Sarrazin („Ich glaube, dass jetzt der Vorstand der Deutschen Bundesbank schon einiges tun kann, damit die Diskussion Deutschland nicht schadet“) war ihm eine Lehre.

Wulff nahm seine Tochter aus erster Ehe mit nach Israel. Seine Gattin begleitet ihn fast immer auf seinen Auslandsreisen. In einem dpa-Gespräch sagte Bettina Wulff, sie wundere sich darüber, dass viele Menschen so dermaßen auf ihr Äußeres achten. „Es wird schon stärker beäugt, was Frauen tragen. Vielleicht sollte man es auch nicht so kritisch sehen. Es ist nicht so, dass es mich jeden Tag vor dem Kleiderschrank zerreißt und ich grübele, hatte ich das schon mal an, kann ich das tragen? Man muss es einfach mit Humor nehmen. Mein Sohn hat mir mal eine Seite aus einer Sonntagszeitung vor die Nase gehalten, wo ich als Anziehpuppe zu sehen war. Da musste ich einfach lachen. Das hat mit dem, wie ich bin, nichts zu tun.“

Ähnlich lakonisch scheint auch Bundespräsident Wulff die heftigen Reaktionen auf ihn zu sehen. Am 14. April dieses Jahres hat ein Mann ihn in Wiesbaden mit Eiern beworfen. Wulff sagte: „Ich möchte den Kontakt zu den Bürgern haben. Das setzt voraus, dass man auch einmal von einem Ei getroffen wird.“ (abendblatt.de/dpa)