Weiter Wirbel um die Islamkonferenz nach dem Eklat um Innenminister Friedrich. SPD-Politikerin Özoguz ruft zum Boykott der Veranstaltung auf.
Berlin. Nach der heftigen Konfrontation von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mit Muslimen ist eine Debatte über die Zukunft der Islamkonferenz entbrannt. Die SPD-Politikerin Aydan Özoguz rief die Muslime zum Boykott auf: „Die Muslime sollten nicht mehr an der Islamkonferenz teilnehmen, bis ein anderer (als Friedrich) die Leitung übernimmt.“ Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, wies diese Forderung jedoch zurück. Während die Berliner Opposition Friedrich für sein Auftreten kritisierte, erhielt der CSU-Politiker Unterstützung aus der Union.
Friedrich hatte den Muslimen eine „Sicherheitspartnerschaft“ vorgeschlagen, um Islamismus und Extremismus entgegenzuwirken. Die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika bezichtigte Friedrich daraufhin, „eine sehr bedenkliche Kultur des Denunziantentums unter den Muslimen“ zu fördern. Zudem sorgen Friedrichs Worte für Unmut, wonach es keine historischen Belege dafür gebe, dass der Islam zu Deutschland gehöre. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, die Konferenz zur Chefsache zu machen und im Kanzleramt anzusiedeln.
Bundespräsident Christian Wulff warnte vor einer Fortsetzung der Debatte über die Rolle des Islam in Deutschland. Wichtiger als die Frage der Religion sei die Integration der Einwanderer in Deutschland. „Ich wünsche mir, dass es uns gelingt, die Menschen so erfolgreich in unser Land zu integrieren, wie es die Amerikaner mit den deutschen Einwanderern getan haben“, erklärte er nach einem Besuch im Museum Deutsches Auswandererhaus (DAH) in Bremerhaven.
Im Streit um die Islamkonferenz stärkte der Dialogbeauftragte vom türkischen Staat gelenkten Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib), Bekir Alboga, Friedrich den Rücken. „Er hat aber sehr aufmerksam und geduldig zugehört und vieles ertragen an Kritik. Das zeigt seine Entschlossenheit, die Deutsche Islamkonferenz fortzusetzen“, sagte Alboga der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Halle). Er kündigte an: „Es geht weiter. Das wollen wir Muslime. Das will auch der Minister.“
Ein Sprecher von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) lobte Friedrichs Vorschlag einer „Sicherheitspartnerschaft“. „Das ist der richtige Weg. Die Kritik können wir nicht nachvollziehen“, sagte er. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wies Kritik an Friedrich ebenfalls zurück. „Ein Bundesinnenminister hat die Pflicht, mit Muslimen auch über Islamismus und Sicherheitsfragen zu diskutieren“, sagte er. „Wenn das jetzt von islamischen Verbänden, der SPD und anderen kritisiert wird, ist das unerträglich.“ Grünen-Chef Cem Özdemir erneuerte seine Kritik an Friedrich, distanzierte sich aber von der Forderung nach einem Boykott der Konferenz. „Ein Boykott wäre jetzt der falsche Weg. Was wir brauchen, ist ein glaubwürdiger Neustart.“ Die Linkspolitikerin Sevim Dagdelen sagte, es stelle sich die Frage, ob Friedrich seinem Amt überhaupt gewachsen sei. Friedrich leitete die Konferenz zum ersten Mal.
Der Chef der Türkischen Gemeinde, Kolat, sagte, er halte einen Boykott der Konferenz nicht für zweckmäßig. Zugleich kritisierte er, es sei offenbar politisch gewollt, dass Friedrich das Thema Islam als Sicherheitsthema angehe. „Wenn er darauf beharrt und in der Konferenz die Themen ändert, dann ist nicht mehr damit zu rechnen, dass diese Konferenz zum Erfolg geführt werden kann“, sagte er im rbb-Inforadio.
Die SPD-Politikerin Özoguz sagte dem Abendblatt, sie halte Friedrich für die „absolute Fehlbesetzung in seinem Amt“. Friedrich will, dass in Vereinen und bei Gesprächen radikale Ansichten von Muslimen früher entdeckt werden. Unabhängig von der Islamkonferenz will er zu einem „Präventionsgipfel“ einladen. Auf die Frage, ob dabei auch das von Muslimen immer wieder angemahnte Thema Islamfeindlichkeit eine Rolle spielen werde, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch: „Dagegen spricht zumindest nichts.“ Eine Sicherheitspartnerschaft sei keine Einbahnstraße.