Auch nächtliche Sitzstreiks sind geplant. In der Stadt Daraa wurden am Morgen erneut sechs Menschen durch Artilleriebeschuss getötet.
Damaskus. Keine Ruhe in Syrien: Trotz des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte will die Protestbewegung der Regierung in Damaskus weiter die Stirn bieten. Über das Internetnetzwerk Facebook riefen Aktivisten am Sonnabend zu einer Woche der Massenproteste auf, bei denen täglich tausende Menschen in verschiedenen Städten des Landes ihren Unmut zeigen sollen. In der Stadt Daraa wurden am Morgen erneut sechs Menschen durch Artilleriebeschuss getötet.
Die Facebook-Gruppe „Syrische Revolution 2011“ rief für Sonntag zum Beginn der „Woche zum Ende der Besatzung“ zu einer Demonstration in der von der Armee besetzten Protesthochburg Daraa auf. Für Montag sind Proteste in der Hauptstadt Damaskus geplant. Am Dienstag soll die Aktion in Banias und Dschableh im Norden fortgesetzt werden, am Mittwoch in Homs, Talbisseh und Tall Kalach an der libanesischen Grenze. Am Donnerstag sind „nächtliche Sitzstreiks“ geplant.
Landesweit hatten am Freitag zehntausende Menschen einem Demonstrationsverbot getrotzt. Dabei kamen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London bis zu 66 Menschen ums Leben, die meisten davon in Daraa und Homs. Die Regierung ihrerseits erklärte, acht Soldaten und ein Polizist seien von „bewaffneten Banden“ getötet worden. Am Samstagmorgen wurden in Daraa im Süden des Landes nach Angaben der Opposition erneut sechs Menschen getötet.
Die Armee habe mit Artillerie das Feuer auf die Stadt eröffnet, sagte ein Oppositionsaktivist unter Berufung auf Augenzeugen. Scharfschützen seien auf den Dächern in Stellung gegangen. Es gebe aber auch einige Soldaten, die den Anweisungen nicht weiter Folge leisten wollten, und sich bei Einheimischen versteckt hätten. Der Oppositionsaktivist Abdallah Abasid sagte, Daraa gleiche weiter einem „Militärgebiet“.
Die Türkei nahm am Freitag mehr als 250 syrische Flüchtlinge auf, die aus Angst vor der Gewalt die Grenze überquert hatten. Sie seien in einer Turnhalle der Stadt Yayladagi untergebracht und versorgt worden, teilten die Behörden mit. Der türkische Rote Halbmond bereitete sich auf den Ansturm weiterer Flüchtlinge vor und schickte 1000 Zelte, 8500 Decken sowie Betten, Nahrung, Medikamente und Küchenausrüstung an die Grenze. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu versicherte, es gebe keine Absicht, wieder eine Visapflicht einzuführen.
Angesichts des harten Vorgehens der Sicherheitskräfte verhängten die USA am Freitag Sanktionen gegen Vertreter von Militär und Geheimdiensten, unter anderem gegen den Bruder von Staatschef Baschar el Assad, den Kommandeur Maher el Assad. Auch die Europäische Union verständigte sich im Grundsatz auf Strafmaßnahmen. Sie sollen in den nächsten Tagen ausgearbeitet werden.
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Die syrischen Streitkräfte ziehen nach Augenzeugenberichten immer mehr Truppen in der abgeriegelten Stadt Daraa zusammen. Am Samstagmorgen seien weitere Soldaten mit vier Panzern und 20 gepanzerten Truppentransportern in Daraa eingerückt, berichtete ein Bewohner.
Die Stadt im Süden des Landes gilt als Hochburg der Protestbewegung gegen Präsident Baschar Assad. Bereits am vergangenen Montag waren Tausende Soldaten in Daraa einmarschiert und hatten die Stadt weitgehend abgeriegelt.
Unterdessen wurde bekannt, dass die Gewalt in Syrien mittlerweile rund 500 Menschen das Leben gekostet hat. Allein am Freitag seien bei einem Einsatz der Sicherheitskräfte 55 Menschen getötet worden, die meisten von ihnen in der Provinz Daraa, sagte der Menschenrechtsaktivist Mustafa Osso. In der Hauptstadt Damaskus wurden die Bewohner auf Plakaten der Regierung dazu aufgerufen, „zu ihrer eigenen Sicherheit“ zu Hause zu bleiben.
Der UN-Menschenrechtsrat billigte am Freitag Ermittlungen zur blutigen Niederschlagung der Proteste in Syrien. Zudem wurde die Regierung in Damaskus aufgefordert, umgehend alle politischen Gefangenen freizulassen und die Beschränkungen für Journalisten und das Internet aufzuheben.
Die EU brachte derweil Sanktionen gegen das syrische Regime auf den Weg. Die Botschafter der Mitgliedsstaaten gaben grünes Licht für Strafmaßnahmen gegen Präsident Assad und seine Gefolgsleute, wie aus Diplomatenkreisen in Brüssel verlautete. Damit soll der Druck auf Damaskus erhöht werden, die blutige Niederschlagung der Demonstrationen zu beenden.
(afp/dapd/rtr)