Aus dem Verteidigungsministerium kommt jetzt die dramatische Warnung vor einem Verlust der Bündnis-, Einsatz- und Verteidigungsfähigkeit.

Berlin. Ein internes Gutachten aus dem Verteidigungsministerium warnt vor dramatischen Folgen, falls die Sparvorgaben für die Truppe beibehalten werden. So kann es zum Verlust der Bündnisfähigkeit, zur eingeschränkten Einsatzbereitschaft und zu einem generellen Risiko für die Sicherheitslage in Deutschland kommen.

Bei einem Volumen von 8,3 Milliarden Euro bis 2015 könnten nur noch 158 000 Soldaten finanziert werden, heißt es in dem Geheimpapier, aus dem die „Bild“-Zeitung am Donnerstag zitierte. Nach der derzeitigen Beschlusslage des Kabinetts soll die Bundeswehr von derzeit 226 000 auf bis zu 185 000 Soldaten verkleinert werden.

Das Ministerium wollte den Bericht nicht kommentieren. „Es ist keinerlei Entscheidung getroffen“, sagte Sprecher Stefan Paris der Nachrichtenagentur dpa auf Anfrage. Minister Thomas de Maizière (CDU) werde sein Reformkonzept Ende Mai oder Anfang Juni vorstellen. Eckpfeiler dafür seien das erforderliche Fähigkeitsprofil, die internationalen Verpflichtungen und die Beschlusslage des Kabinetts - also das Sparvolumen und die Truppenstärke.

Warnungen vor zu starken Einschnitten bei der Bundeswehr hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder gegeben. Das Papier aus dem Ministerium ist allerdings ungewöhnlich deutlich: „Der deutsche Militärbeitrag wird weder der Rolle Deutschlands im Bündnis entsprechen, noch den nationalen Sicherheitsinteressen genügen. Diese Einschränkungen werden auf mittlere Sicht nicht reversibel sein.“

Der Finanzplan zwinge bereits 2012 zu so massiven Eingriffen, dass die Personalstrukturen langfristig gestört würden, Waffensysteme weit über das erforderliche Maß hinaus außer Dienst gestellt werden müssten und die Beteiligung an den laufenden Einsätzen zeitnah beeinträchtigt werde. Die Autoren sehen auch die nationale Sicherheit gefährdet: „Der Verzicht auf ganze Fähigkeitsbereiche (...) führt zu einem Kompetenzverlust, der im Falle einer sich verschlechternden Sicherheitslage in absehbarer Zeit nicht wird kompensiert werden können.“

Auch der Bundeswehrverband warnte vor drastischen Folgen durch Sparmaßnahmen. Sein Vorsitzender Ulrich Kirsch sagte der „Bild“-Zeitung: „Wer diese Pläne ernsthaft verfolgt, der kastriert und marginalisiert die deutschen Streitkräfte zu einer kostengünstigen Mini-Truppe. Das Ergebnis wäre, dass Deutschland weder sich selbst noch sein Bündnis auch nur ansatzweise schützen könnte – von humanitären Aktionen wie in Libyen ganz zu schweigen.“

Der neue Freiwilligendienst der Bundeswehr stößt unterdessen weiterhin auf mäßiges Interesse. Von 498 000 jungen Männern, die im März und April angeschrieben wurden, äußerten nach Angaben des Verteidigungsministeriums nur rund 1800 Interesse. Das sind weniger als 0,4 Prozent. Trotzdem sieht das Ministerium keinen Grund zur Beunruhigung. Die Zahlen zeigten, „dass die Freiwilligen nicht in Massen kommen, aber man trotzdem keine Panik schieben muss“, sagte ein Ministeriumssprecher der dpa auf Anfrage.

Anfang Januar waren die letzten Wehrpflichtigen eingezogen worden. Im März und April kamen insgesamt 2749 Freiwillige zur Bundeswehr. Der neue freiwillige Wehrdienst mit all seinen materiellen Vergünstigungen startet aber erst zum 1. Juli.

(dpa/abendblatt.de)

Reform: Das sind die wichtigsten Beschlüsse des Bundesrates im Einzelnen:

Bundeswehr: Nach gut 55 Jahren hat die Wehrpflicht vorerst ausgedient. Der Pflichtdienst wird zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Die Neuregelung ist Teil der Streitkräftereform, wonach die Bundeswehr von derzeit gut 250.000 Soldaten auf maximal 185.000 schrumpfen soll. Künftig sollen bis zu 15.000 Freiwillige während eines Wehrdienstes zwischen sechs und 23 Monaten rund 170.000 Zeit- und Berufssoldaten unterstützen.

Freiwilligendienst: Er ersetzt ebenfalls vom 1. Juli an den bisherigen Zivildienst. Künftig sollen jährlich 35.000 Stellen in sozialen und ökologischen Einrichtungen, in Kulturstätten sowie beim Katastrophenschutz oder in den Bereichen Integration und Sport gefördert werden. Der freiwillige Dienst soll mindestens sechs und höchstens 18 Monate dauern, in Ausnahmefällen 24 Monate. Die Freiwilligen bekommen Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung gestellt.

Zwangsheirat: Wer jemanden zur Zwangsheirat nötigt, wird künftig mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Dies wird als neuer Tatbestand im Strafgesetzbuch verankert. Neu ist auch das Recht zur Wiederkehr für Frauen, die nach zwangsweiser Verheiratung verschleppt wurden. Zudem werden „Scheinehen“ stärker bekämpft, die von Ausländern nur geschlossen werden, um in Deutschland leben zu können. Künftig gibt es ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erst nach drei und nicht wie bisher nach zwei Jahren, wenn die Ehe scheitert.

Schwarzgeld: Wer mehr als 50.000 Euro hinterzogen hat, geht bei einer Selbstanzeige nur noch dann straffrei aus, wenn er einen Zuschlag von fünf Prozent auf die hinterzogene Summe bezahlt. Abgeschafft wird die bisherige Möglichkeit zur „Teil-Selbstanzeige“. Strafbefreiung gibt es nur noch bei vollständiger Offenlegung aller noch nicht verjährten Steuerstraftaten. Die Selbstanzeige ist auch nur noch bis zu dem Zeitpunkt möglich, ab dem die Entdeckung droht.

Leiharbeit: Künftig ist es nicht mehr erlaubt, entlassene oder nicht mehr beschäftigte Arbeitnehmer zu schlechteren Bedingungen in ihrem Unternehmen oder im selben Konzern als Zeitarbeiter einzusetzen. Künftig sind solche Leiharbeiter wie die Stammbeschäftigten zu entlohnen. Auch treten die Verabredungen aus dem Vermittlungsverfahren zur Hartz-IV-Reform über die Lohnuntergrenze in der Zeitarbeit in Kraft.

Atomkraft: Sechs SPD-geführte Länder forderten den schnellstmöglichen Ausstieg aus der Atomkraft. Sie verlangten die Rückkehr zum Atomkonsens des Jahres 2000. Zudem sollen die acht derzeit abgeschalteten Atommeiler nicht mehr ans Netz. Für die Reaktoren, die weiter genutzt werden sollen, müssten die Sicherheitskonzepte auf den Stand der Technik gebracht werden.

Holocaust-Überlebende: Die Bundesregierung soll jüdische Holocaust-Überlebende aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion als Verfolgte des NS-Regimes anerkennen, damit die Betroffenen eine Rente bekommen. Darüber hinaus soll wieder die Möglichkeit geschaffen werden, dass Aufträge zur Vermittlung schwerbehinderter Menschen an Integrationsfachdienste freihändig vergeben werden können und nicht ausgeschrieben werden müssen.

Abschied: Der scheidende Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), verabschiedete sich im Bundesrat. Der 75-Jährige wurde als engagierter und versierter Verfechter der föderalen Belange gewürdigt. Aus Altersgründen war er bei der Landtagswahl nicht mehr angetreten. In der kommenden Woche wird Böhmers Nachfolger Reiner Haseloff (ebenfalls CDU) zum Ministerpräsidenten gewählt. (dapd)