Die Angebote werden bislang nur zögerlich beantragt. Ein Runder Tisch mit Vertretern von Ländern und Kommunen soll Abhilfe bringen.

Berlin. Arme Familien sollen länger eine Chance bekommen, Leistungen aus dem Bildungspaket für die vergangenen Monate zu beantragen: Die Frist wird bis zum 30. Juni verlängert. Dies hätten Bund, Länder und Gemeinden vereinbart, sagte Bundessozialministerin Ursula von der Leyen am Donnerstag nach einem Krisentreffen in Berlin. Zudem wolle man Eltern sowie Mitarbeiter von Behörden, Kindertagesstätten und Schulen besser informieren.

Hintergrund des Berliner Treffens war der schleppende Start des Bildungspakets. Bisher haben nur wenige arme Familien die Leistung beantragt. Die nun verlängerte Frist für rückwirkende Leistungen sollte eigentlich bereits zum 30. April auslaufen. Es geht um Zuschüsse, zum Beispiel für warmes Mittagessen, Nachhilfe und andere Leistungen ab Januar. Insgesamt stehen für das Paket 1,6 Milliarden Euro zur Verfügung.

Von der Leyen warb zudem dafür, die betroffenen Familien direkt anzuschreiben. „Damit erreichen Sie viele Eltern“, betonte von der Leyen, räumte allerdings ein, dass auch dadurch nicht alle erfasst würden. Deshalb solle auch in Einrichtungen verstärkt für das Bildungspaket geworben werden. Das Ministerium selbst werde sich allerdings nicht in einem Brief an die Eltern richten. Es gehe „um ganz praktische Dinge“, deshalb sollten dies die Kommunen übernehmen.

SPD-Vize Manuela Schwesig hatte vor dem Treffen Unverständnis darüber geäußert, dass man bedürftige Familien nicht angeschrieben und über die neuen Möglichkeiten informiert habe. In dem Brief, mit dem Hartz-IV-Empfänger auf die höheren Regelsätze hingewiesen worden seien, hätte man auch über das Bildungspaket informieren können. „Daran sieht man, die Informationspolitik hat bisher nicht besonders hingehauen“, sagte Schwesig.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast zweifelte an, dass das Bildungspaket überhaupt noch zu einem Erfolg werden kann. „Es wäre besser, das Geld direkt an die Institutionen auszuzahlen, von den Schulen, die Mittagessen ausgeben, bis hin zu den Bildungsträgern“, sagte sie.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, verwies allerdings darauf, dass dies nicht möglich sei. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass es „einen individuellen Rechtsanspruch auf Teilhabe geben“ müsse. „Und egal was irgendwelche Minister oder Wohlfahrtsverbände erklären, damit ist eine solche Lösung verschlossen“, unterstrich Landsberg.

Landsberg betonte zudem, dass die Zahl der Anträge zuletzt deutlich gestiegen sei. Die bisher genannten Zahlen stammten von Anfang vergangener Woche. Inzwischen hätten viele wegen der aktuellen Debatten reagiert.

Nach Erhebungen des Deutschen Städtetags steigt die Nachfrage nach den Zuschüssen tatsächlich in einigen Städten an. In etwa einem Drittel der befragten Städte liege der Anteil der Berechtigten, die Anträge gestellt haben, über 10 Prozent, in einem Fünftel bereits zwischen 15 und 35 Prozent, teilte der Verband am Donnerstag mit. Allerdings seien es in zwei Dritteln der Städte derzeit noch unter 10 Prozent.

Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Städtetags, Monika Kuban, sagte, dass es so kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes „etwas Zeit und Geduld“ brauche, „bis alle Eltern erreicht werden“. Die Städte hätten jedoch bereits intensiv über die neuen Leistungen informiert. Viele Städte bereiteten außerdem weitere Werbemaßnahmen vor.

Der Deutsche Landkreistag zeigte sich optimistisch, dass nach den Osterferien das Interesse deutlich steigen werde. „Es ist vollkommen normal, dass neue Leistungen erst nach und nach anlaufen“, sagte Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke der Nachrichtenagentur dapd.

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warnte vor einer Vorverurteilung von Eltern, die bislang keine Anträge gestellt hätten. In der deutschen Politik gebe es einen Reflex, die Betroffenen „sozusagen öffentlich zu beschämen und zu beschimpfen als dumm und faul“, sagte Hilgers im Deutschlandradio Kultur und sprach von einer „katastrophale Öffentlichkeitsarbeit“. Insgesamt plädierte er dafür, mit der Bewertung des Pakets noch etwas abzuwarten. Dafür sei es noch viel zu früh.

(dapd/abendblatt.de)

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Von der Leyen: Bildungspaket erfordert Einsatz von allen

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat ein verstärktes Engagement aller Beteiligten beim Bildungspaket für Kinder aus bedürftigen Familien angemahnt. Es sei jetzt „breiter Einsatz auf allen Seiten“ nötig, sagte die Ministerin unmittelbar vor einem Treffen mit Ländern und kommunalen Spitzenverbänden am Donnerstag in Berlin.

Bei diesem Runden Tisch sollen Wege beraten werden, auf denen die Anlaufschwierigkeiten beim Bildungspaket behoben werden können. So sollen Leistungen wie warmes Mittagessen, Mitgliedschaft in Sport- und Musikvereinen oder Nachhilfe von möglichst vielen Kindern in Anspruch genommen werden. Dies ist gut drei Wochen nach dem Start des rund 1,6 Milliarden Euro teuren Programms noch nicht der Fall.

„Die Behörden müssen sich kümmern, aber die Eltern müssen sich auch kümmern“, sagte von der Leyen im Fernsehsender n-tv. Man dürfe sich nicht entmutigen lassen, „nicht gleich am Anfang aufgeben, wenn die Resonanz bei den Eltern nicht so da ist, wie man sich das wünscht“, so die Ministerin im SWR.

Damit die Angebote stärker angenommen werden, sollen die Eltern nach von der Leyens Worten in einem dreistufigen Verfahren motiviert werden. Dazu zählen separate Anschreiben und Hausbesuche von Sozialarbeitern oder Familienlotsen.

Um die Leistungen aus dem Bildungspaket rückwirkend für das erste Quartal noch beantragen zu können, soll die Antragsfrist über das Monatsende hinaus bis in den Sommer hinein verlängert werden. Die Leistungen sind gedacht für rund 2,5 Millionen Kinder von Langzeitarbeitslosen, Geringverdienern und Wohngeldempfängern.

Der Deutsche Städtetag sieht eine steigende Nachfrage der Eltern nach Bildungspaket-Leistungen. In einer aktuellen Umfrage hätten 93 von 108 Städten steigende Antragszahlen signalisiert, sagte Vize-Geschäftsführerin Monika Kuban der Nachrichtenagentur dpa.

Zwar liege die Zahl der Anträge bei zwei Dritteln der Städte noch unter 10 Prozent der Anspruchsberechtigten. Doch in einem Fünftel der Städte liege die Quote bereits zwischen 15 und 35 Prozent. Es werde mit Hochdruck an der Umsetzung des Programms gearbeitet. „Aber niemand soll Wunder erwarten“, sagte Kuban.

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, setzt ebenfalls auf einen Erfolg des Programms. „Es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass wir Sozialleistungen nicht loswerden“, sagte Landsberg im Deutschlandfunk.

Man müsse den Eltern bedürftiger Kinder etwas Zeit lassen, um sich über das Angebot zu informieren. Die Aufregung über den Holperstart nannte er unangemessen. Niemand habe erwartet, dass die Betroffenen für die Anträge „in Doppelreihe“ anstehen.

Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, warnte vor einer vorschnellen Bewertung des Bildungspakets. Dafür sei es noch zu früh, sagte er im Deutschlandradio Kultur. So fehle auf Seiten der Länder noch ein Ausführungsgesetz, das den Kommunen die Aufgabe erst einmal übertrage. In den Flächenländern würden derzeit Anträge für das Bildungspaket lediglich entgegengenommen. „Bewilligt wird ja noch gar nicht“, sagte Hilgers.