Menschenrechtler protestieren rund um den Globus gegen das Unrecht in Peking. Das Nobelpreis-Komitee forderte die Freilassung Liu Xiaobos.
Oslo. Ein Aufschrei rund um die Welt – aber ein Stuhl in Oslo blieb leer. Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo wurde schmerzlich vermisst bei der Zeremonie in der norwegischen Hauptstadt. Der Friedensnobelpreis wurde in Abwesenheit des inhaftierten Chinesen verliehen. Der Bürgerrechtler sitzt in seiner Heimat eine elfjährige Haftstrafe ab, weil er öffentlich Meinungsfreiheit und Demokratie verlangt hat. Chinas Behörden hatten auch Lius Frau und anderen Vertrauten die Ausreise nach Norwegen verweigert.
Der Chef des Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, verlangte die sofortige Freilassung des Friedensnobelpreisträgers. Liu habe nur seine Menschenrechte wahrgenommen und sei zu einem Symbol für den Kampf um diese Rechte in ganz China geworden. 15 Länder blieben der Zeremonie in Anwesenheit von Norwegens König Harald V. fern, darunter neben China selbst auch Russland, Afghanistan und der Irak. Die Dotierung von umgerechnet 1,1 Millionen Euro (10 Millionen schwedischen Kronen) sowie das Nobeldiplom sollen in Oslo verbleiben, bis Liu Xiaobo selbst oder eine Person seines Vertrauens darüber verfügen kann. Zuletzt hatten vor 74 Jahren weder der deutsche Publizist Carl von Ossietzky noch seine Familie den Preis entgegennehmen können, weil ihnen die Nazis die Reise nach Oslo nicht erlaubten. Seit der Verkündung des Friedensnobelpreises vor zwei Monaten waren in China Dutzende Aktivisten und Kritiker unter Hausarrest gestellt, in Haft genommen oder eingeschüchtert worden.
Prominentes Opfer der Verfolgung wurde Zhang Zuhua, der neben Liu Xiaobo an der Veröffentlichung der „Charta 08“ vor zwei Jahren beteiligt war. Der Bürgerrechtler sei am Donnerstag in Peking auf der Straße von Staatssicherheitsbeamten in einen Kleinbus gezerrt und verschleppt worden, berichtete die Menschenrechtsgruppe CHRD.
In Seoul, in Dharamsala, in Berlin, Oslo, London und in den kommenden Stunden auch in der Neuen Welt auf dem amerikanischen Kontinent gibt es Proteste gegen China. Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo kann an diesem Freitag seinen Preis in Oslo nicht entgegennehmen. Der Menschenrechtsaktivist ist eingesperrt. Seine Frau steht unter Hausarrest – und in Peking wurden weitere Freunde und Unterstützer Lius weggesperrt. Die Chinesen greifen eisern durch. Lius Stuhl in Oslo blieb verwaist.
Ein enger Freund des Preisträgers und Mitverfasser der „Charta 08“ für Demokratie und Menschenrechte in China sowie andere Aktivisten wurden durch Angehörige der chinesischen Staatssicherheit verschleppt, teilte die Menschenrechtsgruppe Chinese Human Rights Defenders (CHRD) mit. In Oslo protestierten Exil-Chinesen vor der Botschaft ihres Heimatlandes gegen die Inhaftierung Lius und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Botschaftsangehörige weigerten sich, von Amnesty-International-Vertretern eine Liste mit 100.000 Protest-Unterschriften in Empfang zu nehmen. Amnesty International berichtete, dass chinesische Diplomaten in Norwegen ansässige Chinesen systematisch unter Druck gesetzt hätten, um diese zu Protesten gegen die Nobelpreiszeremonie in Oslo zu bewegen.
Die Bundesregierung hat ihre Solidarität mit Liu Xiaobo zum Ausdruck gebracht. „Wir bedauern, dass ihm nicht gestattet wurde, an der Preisverleihung teilzunehmen“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans. Die Bundesregierung werde sich weiterhin für die Freilassung von Liu Xiaobo einsetzen. Unter dem massiven Druck Chinas hatten mehrere Länder eine Teilnahme an der Zeremonie abgelehnt, darunter Russland, Saudi-Arabien und Ägypten. Bundespräsident Christian Wulff hat die Deutschen zur alltäglichen Durchsetzung der Menschenrechte im eigenen Land aufgerufen. „Die Menschenrechte müssen täglich neu behauptet und verteidigt, aber auch von jedem Einzelnen gelebt werden“, sagte Wulff zum Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.
Von der Achtung der Menschenrechte könne Deutschland andere „nur überzeugen, wenn wir den Maßstab menschenrechtlicher Werte und Prinzipien bei uns selbst anlegen“, sagte der Bundespräsident. Wulff betonte: „Noch immer werden in vielen Teilen der Welt die Menschenrechte missachtet, ist der Schutz der Menschenwürde nicht gesichert. Menschen können sich nicht frei äußern oder ihre Religion ausüben, sie werden gefoltert und erniedrigt. Dort, wo wir Menschenrechtsverletzungen erkennen, dürfen wir deshalb die Augen nicht verschließen und müssen ihnen entschieden entgegentreten.“