Die Chinesen sind begeistert von ihrem Freiheitsdenker und umgehen mit einer “Geheimsprache“ im Netz geschickt die Zensur.
Peking/Hamburg. Der chinesische Bürgerrechtler Liu Xiaobo hat seinen Friedensnobelpreis den Opfern des Massakers vom Platz des Himmlischen Friedens im Jahr 1989 gewidmet. Nach einem Treffen unter Tränen im Gefängnis zitierte seine Frau Liu Xia ihren Mann, der Preis gehöre "den Seelen der Getöteten" der Demokratiebewegung von 1989. Die Polizei hielt die 50-Jährige unter Hausarrest in ihrer Pekinger Wohnung fest. Menschenrechtler forderten Freiheit für die beiden.
Schon vor dem einstündigen Treffen im Gefängnis war Liu Xiaobo von der Verwaltung über den Preis unterrichtet worden. Der 54-Jährige, der 1989 selbst Teil der Demokratiebewegung war, habe tief bewegt der Opfer gedacht, berichtete Liu Xia im Internet via Kurzmitteilungsdienst Twitter. "Sie haben mit ihrem Leben dafür bezahlt, dass sie den Geist von Frieden, Demokratie, Freiheit und Gewaltlosigkeit praktiziert haben", zitierte Liu Xia ihren Mann.
Bei aller Wut über die staatlichen Repressionen sind die Chinesen begeistert von ihrem Freiheitsdenker. Und sie reden darüber im Internet in einer Geheimsprache, um die Zensur der Behörden auszutricksen. "Lachs" statt "Norwegen", "Reis und Wein" statt "Feierlichkeitsbankett" - es sind diese fantasievollen Ersatzwörter, mit denen die Menschen in Foren und Chats die sogenannten "sensiblen Wörter" der staatlichen Internetsperre umgehen. Auch "Friedensnobelpreis" und "Liu Xiaobo" sind jetzt sensible Wörter.
"Die Sprache ist harmonisiert", sagen die Menschen in China. Auf Frage von Nutzern, wer den Friedenspreis gewonnen hat, wurde in Foren scherzhaft geantwortet, dass der US-Präsident Barack Obama den Preis dieses Jahr erneut gewonnen hat. Virtueller Zynismus im Alltag der Meinungsdiktatur. Auf der größten Suchmaschine Chinas "Baidu" steht bis auf eine Stellungnahme des Außenministeriums zur Preisvergabe nichts mehr über Liu Xiaobo. Sogar das Interview des Ministerpräsidenten Wen Jiabao mit dem amerikanischen Fernsehsender CNN wurde zensiert. Über den Kurznachrichtendienst Twitter verabreden sich nun die Menschen auf der Straße, um den "Erfolg der freiheitsliebenden Chinesen mit Banketten" zu feiern. Lachs steht dabei weit oben auf ihrer Speisekarte.