Beim CDU-Parteitag drängten sich nur wenige norddeutsche Politiker in den Vordergrund. Der Hamburger Landesverband will das in Zukunft ändern.
Karlsruhe. Nur einmal und ziemlich kurz stand der wichtigste Hamburger der neuen CDU im Rampenlicht des Karlsruher Parteitags . Es war der Moment am Montagnachmittag, als Parteichefin Angela Merkel den Ersten Bürgermeister Christoph Ahlhaus nach vorne bat, um ein Buch als Abschiedsgeschenk für Ole von Beust entgegenzunehmen. Es war kein Moment, an dem Ahlhaus hätte reden können. Im weiteren Verlauf des zwei Tage dauernden Parteitags hätte es diese Möglichkeit schon gegeben, etwa bei der Debatte um die Aussetzung der Wehrpflicht oder bei der intensiv geführten Diskussion um ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID).
Aber Ahlhaus hielt sich fern vom Mikrofon. Der Neuling auf der Präsidiumsbank verzichtete darauf, sich mit einem Redeauftritt der versammelten CDU vorzustellen. Ein Delegierter aus dem Norden gab freimütig zu, dass er darüber enttäuscht war: "Der Parteitag wäre eine gute Bühne für Ahlhaus gewesen, bekannter zu werden." Der Erste Bürgermeister nahm den Vorwurf gelassen. "Es ist nicht mein Anliegen, zur Selbstprofilierung Debatten unnötig zu verlängern, ohne etwas Neues beizutragen", sagte er dem Abendblatt. Was er an Wichtigem loswerden wollte, besprach er auf seinem Platz mit der Kanzlerin persönlich. Worum es ging? Ahlhaus: "Vertraulich."
Auch Frank Schira als neuer Hamburger Parteichef vermied es, das Wort zu ergreifen. In der Bundeswehr-Debatte habe sich mit dem Altonaer Bundestagsabgeordneten Marcus Weinberg ein Hamburger Vertreter zu Wort gemeldet und gegen die Aussetzung der Wehrpflicht argumentiert, verteidigte er sich. Und er bemerkte: "Wir hatten oft Bundesparteitage, in denen sich der Hamburger Landesverband massiv in die Debatten eingebracht hatte."
Wie Ahlhaus und Schira hielten es auch andere Nordpolitiker, etwa Niedersachsens neuer Ministerpräsident David McAllister und Schleswig-Holsteins Regierungschef Peter Harry Carstensen: Sie blieben vollständig im Hintergrund. Ganz anders aus dem niedersächsischen Verband die neue CDU-Vize Ursula von der Leyen, die zu den zentralen Figuren gehörte. Ganz anders auch der erste Auftritt des neuen CDU-Landeschefs von Schleswig-Holstein, Christian von Boetticher. Seine Rede gegen das Bundeswehrkonzept von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kam gut an im Plenum. Mit Blick auf den Auftritt sagte Boetticher gestern: "Ich finde es falsch, was Karl-Theodor macht. Dafür gehe ich auch in eine Schlacht, die ich nicht gewinnen kann." In Karlsruhe hieß es, Merkel habe Boettichers Engagement gefallen. Mit solch einem Rückenwind kehrten die 19 Hamburger Delegierten nicht zurück.
Schon bei den Vorstandswahlen hatte Hamburg keine Rolle gespielt. Ahlhaus sitzt als Regierungschef ohnehin im Präsidium, und im Vorstand hat Schira als Landeschef Gastrecht. Bedarf für einen weiteren Hamburger im Bundesvorstand gab es offenbar nicht. "Wir haben im Landesverband offen darüber gesprochen, ob wir einen Kandidaten für den Bundesvorstand ins Rennen schicken", sagte Schira. "Dieser Wunsch hat sich aber nicht aufgedrängt." Es sei jetzt nicht die rechte Zeit gewesen, "jemanden nach vorn zu schicken".
Schira gab gleichwohl gestern zu, mit der Bedeutung seines Landesverbands unzufrieden zu sein: "Wir können unser Gewicht in der Bundes-CDU noch weiter ausbauen. Es ist mein Wunsch, den Einfluss in der Partei zu erweitern." Auch Ahlhaus war diese Botschaft in Karlsruhe wichtig. "Wir wollen uns bundespolitisch besser aufstellen", kündigte er an. Es stehe Hamburg gut zu Gesicht, wenn der Landesverband im Bund an Profil gewinne. Ein anderes Hamburger Parteimitglied sprach offen aus: "Ole von Beust hat sich nicht wirklich für die bundespolitische Bedeutung Hamburgs interessiert." Es sei aber bereits erkennbar, dass Ahlhaus wohl öfter in Berlin Politik mache als sein Vorgänger. In Karlsruhe war es für den bundespolitischen Aufschlag aber offenbar noch zu früh.
Laut Schira macht der Landesverband seinen Einfluss in der Hauptstadt vor allem über die Hamburger Bundestagsabgeordneten deutlich, etwa in der Hafenpolitik. Schira ist das nicht genug: "Wir werden uns in den kommenden Jahren öfter zu Wort melden." Ziel sei es, die Elbvertiefung zum Abschluss zu bringen. "Wir brauchen auch einen größeren Einsatz des Bundes für den Hamburger Hafen." Auch wollen die beiden neuen Nord-Landeschefs enger kooperieren, wenn es um Fördermittel des Bundes für Verkehrswege und Forschung geht. Boetticher sagte: "Wir merken, dass eine Reihe von Bundesfördermitteln über die Jahre zu sehr in den Süden geflossen sind. Das wollen wir ändern." Auch er hat einen Landesverband übernommen, von dem es parteiintern heißt, er habe unter Carstensen massiv an bundespolitischer Bedeutung verloren.