90,4 Prozent sind ein gutes Ergebnis für die Kanzlerin, aber kein besonderes. Mehr Stimmen erhielt die Spitzenkandidatin aus Rheinland-Pfalz.
Karlsruhe. Leichte Verluste für Angela Merkel, Dämpfer für Anette Schavan und Bestwert für Julia Klöckner : Mit der Bestätigung der Bundeskanzlerin als Vorsitzende, der Bestellung ihrer vier Stellvertreter und der Abstimmung über das Präsidium sind am Montag die wichtigsten Wahlen auf dem Bundesparteitag der CDU in Karlsruhe zu Ende gegangen.
Mit 90,4 Prozent der Stimmen und damit überwältigender Mehrheit der Delegierten ist Bundeskanzlerin Angela Merkel als Vorsitzende der CDU wiedergewählt worden. Zuletzt waren die Umfragewerte stark eingebrochen, die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung heftig kritisiert worden. Das Ergebnis zeigte jedoch: Die CDU steht hinter Merkel und ihrem Kurs. Vor zwei Jahren hatte Merkel allerdings 94,8 Prozent erhalten.
+++ Das waren die bisherigen Ergebnisse Merkels und früherer CDU-Chefs +++
Für ihre Rede hat Merkel neuneinhalb Minuten Beifall bekommen In der 75 Minuten währenden Ansprache am ersten Tag des Parteitages rief sie zur Geschlossenheit auf. „Werft die Prognosen in den Papierkorb“, rief Merkel den Delegierten angesichts schlechter Umfragewerte zu. Eine geschlossene CDU habe beste Chancen bei den anstehenden Wahlen unter anderem Ende März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. „Wir sind wir.“ Zum Vergleich: CSU-Chef Horst Seehofer bekam beim CSU-Parteitag vor zwei Wochen etwas mehr als fünf Minuten Beifall.
Merkel hatte SPD und Grüne scharf angegriffen. Die SPD sei auf der Flucht vor Verantwortung und Realität, sie verspiele damit ihren Auftrag als zweite Volkspartei in Deutschland, sagte sie. Die Sozialdemokraten könnten heute gar nicht schnell genug von den Beschlüssen der Großen Koalition davonlaufen. Der frühere SPD-Vizekanzler Franz Müntefering habe einmal gesagt, Opposition sei Mist. „Heute hat Müntefering nichts mehr zu sagen, und die SPD ist einen Schritt weiter. Die Opposition macht Mist“, sagte Merkel unter dem Applaus der rund 1000 Delegierten. Die Grünen seien „vor allem und ständig immer dagegen“. Dagegen zu sein, sei aber das Gegenteil von bürgerlicher Politik. Bürgerliche Politik erschöpfe sich nicht im Halten von Demonstrationsschildern.
Eindringlich warnte Merkel in einer kämpferischen Rede vor einer rot-rot-grünen Republik. Die Alternative zur christlich-liberalen Koalition wäre weder eine neue Große Koalition noch Schwarz-Grün oder ein Bündnis aus CDU, FDP und Grünen. „Das sind Illusionen, Hirngespinste“, sagte Merkel. Die Alternative zu Schwarz-Gelb wäre nichts anderes als Rot-Rot-Grün. SPD und Grüne würden 2013 keine Sekunde zögern, mit den Linken zusammenzugehen. Das zu verhindern sei ein Auftrag von historischer Tragweite. „Wir müssen dem Land Rot-Rot-Grün ersparen“, sagte die Kanzlerin.
Die Grünen haben der CDU einen politischen Rückfall in vergangene Zeiten vorgeworfen. Auf ihrem Parteitag betreibe die CDU ein „Retro-Rollback volle Kanne zurück in die 80er-Jahre“, sagte Parteichefin Claudia Roth am Montag in Berlin. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen stehe für die soziale Kälte eines Sparkurses zulasten von Benachteiligten. Umweltminister Norbert Röttgen stehe für den „Atomputsch von Schwarz-Gelb“ und Hessens Regierungschef Volker Bouffier für integrationspolitische Mottenkiste.
Als „unverfrorene Ablenkungs-Geschichtsklitterei“ wies Roth den Vorwurf von CDU-Chefin Angela Merkel zurück, Grüne und SPD hätten durch den Umgang mit Ex-Bundespräsident Horst Köhler Politikverdrossenheit geschürt. Köhler sei aus den Reihen von CDU/CSU gemobbt worden. „Ich glaube aber nicht, dass es Politikverdrossenheit gibt, sondern dass es Verdrossenheit gibt gegenüber der Politik von Schwarz-Gelb.“
Den Forderungen nach schnellen Steuersenkungen hat Merkel eine klare Absage erteilt. Trotz steigender Steuereinnahmen habe der Staat nicht mehr Geld zur Verfügung, „sondern nur weniger Geld zu wenig“, sagte sie. „Daran muss gelegentlich erinnert werden, wenn jetzt schon wieder viele Wünsche laut werden.“ Ausdrücklich ging sie auf die Kritik der CDU-Mittelstandsvereinigung (MIT) ein, die rasche Steuersenkungen fordert und kritisierte hatte, dass die MIT-Anträge für den Parteitag abgebügelt worden seien. Sie nehme alle Anträge ernst, sagte Merkel. „Und dennoch werbe ich ganz entschieden für den Kurs unserer Partei und unseres Finanzministers.“
Es müsse die richtige Reihenfolge eingehalten werden, erst die Haushalte zu konsolidieren und dann die Steuern zu vereinfachen. „Davon sind wir noch meilenweit entfernt, und das muss angegangen werden.“ Ausdrücklich dankte sie Finanzminister Wolfgang Schäuble, der am Montagvormittag nicht auf dem Parteitag, sondern in Brüssel zu Gesprächen über die WestLB war. Merkel verteidigte Schäuble um den es wegen seines Umgangs mit seinem Pressesprecher und seiner angeschlagenen Gesundheit Wirbel gibt. „Dies war kein einfaches Jahr für Wolfgang Schäuble. Ich danke ihm für seine Kraft, seine Ausdauer und seine Arbeit als Finanzminister.“
Als einen von vier Stellvertretern hat Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier auch in der CDU-Führungsspitze die Nachfolge Roland Kochs angetreten. Der 58-jährige Bouffier wurde mit 85,1 Prozent (772 von 907 gültigen Stimmen) zum neuen stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Bouffier gilt als Konservativer. Koch hat sich Ende August aus der Politik zurückgezogen. Als weitere Stellvertreter Merkels rückten bei dem Parteitag auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Bundesumweltminister Norbert Röttgen in das engste Führungsteam der Kanzlerin auf. Forschungsministerin Annette Schavan bleibt Stellvertreterin Merkels.
Das beste Ergebnis der Stellvertreter erhielt am Montag Röttgen, der vor kurzem zum Landeschef in Nordrhein-Westfalen gewählt worden war. Er kam in Karlsruhe auf 88,20 Prozent. Einen schweren Dämpfer erhielt Schavan. Die enge Vertraute Merkels musste sich mit 64,17 Prozent zufrieden geben. Von der Leyen erhielt wie Bouffier 85,12 Prozent.
Vor seiner Wahl rief Bouffier die CDU auf dem Parteitag zu Einigkeit auf. Nötig seien klare und eindeutige Botschaften, kein „dissonanter Chor“. Bouffier forderte zudem Zuwanderer auf, sich den hiesigen Gesetzen und Gepflogenheiten anzupassen: „Eine friedliche Zukunft kann es in diesem Land nur geben, wenn diese Zukunft nach den Regeln gestaltet wird, die hier gelten.“ Bouffier sagte, die CDU habe den Menschen auch jenseits der Integrationspolitik viel zu bieten. Sie sei die Partei der Mitte und habe einen „Kompass für die Zukunft“.
Das weitaus beste Ergebnis in Karlsruhe erzielte Julia Klöckner. Die rheinland-pfälzische Landesvorsitzende ist mit 881 Stimmen oder 94,43 Prozent neu ins Parteipräsidium der CDU gewählt worden. Damit übertraf sie noch deutlich das Ergebnis des zweitplatzierten Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble, der auf 85,64 Prozent Zustimmung kam.
Für eine kämpferische Rede zur Landtagswahl im kommenden Jahr hatte Klöckner zuvor schon in der Aussprache des Parteitags über Merkels Rechenschaftsbericht viel Beifall erhalten. Die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin sagte, sie freue sich auf die Wahl am 27. März. Ziel müsse sein, dass es am Wahlabend heiße: „Beck ist weg, Klöckner kommt.“
In ihrer Rede rechnete Klöckner scharf mit der Mainzer SPD-Regierung unter Ministerpräsident Kurt Beck ab. Zwar hätten die Sozialdemokraten nicht alles falsch gemacht, wohl aber viel zu viel, sagte sie. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverbraucherministerium warf der Landesregierung Vetternwirtschaft und Günstlingswirtschaft vor. Damit werde in dem Land, das einst Ministerpräsidenten wie Helmut Kohl und Bernhard Vogel geprägt hätten, viel an Ansehen verdorben. Einen Spitzenplatz habe Rheinland-Pfalz heute nur noch bei den Gehältern in den Ministerien. Das Land müsse daher mit einer klaren Haltung zu Leistung und Solidarität wieder fit gemacht werden.
„Solidarität brauchen wir mit den Arbeitslosen, aber auch denen, die das Geld erwirtschaften“, fuhr Klöckner fort. Zugleich warf sie Beck und der SPD-Regierung vor, das Land in eine Rekordverschuldung geführt zu haben. Aufholen müsse man auch bei der Bildung. „Ich biete den Bürgern einen Vertrag an: In Rheinland-Pfalz wird keiner mehr eingeschult, der nicht Deutsch spricht und Deutsch versteht“, fuhr Klöckner fort und forderte, verbindliche Sprachtests wie in Baden-Württemberg einzuführen.
Nötig sei auch eine offene Debatte über Integrationspolitik „ohne Schaum vor dem Mund“. Aber auf das Grundgesetz dürfe es keinen Rabatt geben, „auch keinen religiösen Rabatt“, fügte die CDU-Politikerin hinzu. Klöckner sprach sich dafür aus, aber das heiße „stabil im Fortschritt zu sein“ ohne Ideologie.