Der letzte einflussreiche Kohlianer verlässt die politische Bühne. Nachfolger Bouffier ist ein Law-and-Order-Mann, aber eine Übergangslösung.
Wiesbaden. Es war, wie man so schön sagt, ein Abschied nach Maß. Als Roland Koch am Montag nach elf Jahren im Amt des hessischen Ministerpräsidenten Adieu sagte, da mangelte es scheinbar an nichts: Das Wiesbadener Schloss Biebrich gab die illustre Kulisse, die Begleitmusik besorgte das Heeresmusikkorps der Bundeswehr. Dazu das Stelldichein der 500 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die Koch zum Empfang mit anschließendem Zeremoniell gebeten hatte - darunter nicht nur die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel, sondern auch ihr Vorgänger Helmut Kohl.
Dass der Altkanzler, der kaum noch bei solchen Terminen auftaucht, gestern persönlich in Wiesbaden war, darf als Zeichen besonderer Wertschätzung verstanden werden. Tatsächlich verlässt mit Koch jetzt aber auch "der letzte einflussreiche Kohlianer die politische Bühne der CDU", wie der Bonner Politologe Gerd Langguth feststellt. In der CDU sei gerade ein "elementarer Generationenwechsel in Gang": "Die alte Garde verabschiedet sich aus der Verantwortung, weitaus pragmatischer agierende, aber eben auch weniger konservative Figuren, als Koch es gewesen war, drängen an die Macht."
Auf wen Langguth da anspielt, ist klar: Er meint in erster Linie die CDU-Landesvorsitzenden David McAllister (39, Niedersachsen) und Stefan Mappus (44, Baden-Württemberg), die beide auch Ministerpräsident sind, sowie den ehrgeizigen Bundesumweltminister Norbert Röttgen, 44, der - sollte er das Rennen um den Vorsitz des größten CDU-Landesverbands Nordrhein-Westfalen gegen Armin Laschet gewinnen - zum engeren Führungszirkel der Partei gezählt werden muss.
Diese seien "inhaltlich zum Teil deutlich auseinander, allesamt aber dennoch keine wirklich markanten Repräsentanten der verschiedenen Flügel, die die Partei eigentlich hat, sie sind stromlinienförmiger", konstatiert Langguth, der in der gesamten Partei auch niemanden sieht, "der so überragend detailgenaue wirtschafts- und finanzpolitischen Kenntnisse hat wie Roland Koch".
Dennoch müsse der CDU zugesprochen werden, dass sie personell weit interessanter aufgestellt sei als etwa die SPD. Die Identitätsprobleme der Partei könnten sich aber verschärfen, wenn sich auch mittelfristig keine neue Galionsfigur für den konservativen Flügel finde, mit dem die ebenfalls liberale Parteivorsitzende Angela Merkel bekanntlich nur wenig anfangen könne. Tatsächlich ist Volker Bouffier, der heute in Wiesbaden als Nachfolger Kochs vereidigt wird, zwar ein "Law and Order"-Mann wie sein Vorgänger. Doch Bouffier gilt selbst nur als Übergangslösung. Er ist mit 58 sogar sechs Jahre älter als Koch, den er im November auch als stellvertretenden CDU-Bundesvorsitzenden beerben dürfte. In der Partei wird bezweifelt, dass er die Lücke füllen kann, die Koch reißt - und die wiederum andere gar nicht füllen wollen, weil sie politisch anders sozialisiert sind.
Ein anderer, der sich anschicken könnte, Koch zu beerben, ist Mappus, der sich selbst zwar als liberal-konservativ bezeichnet, aber bei Kernthemen wie dem Festhalten an der Atomenergie gerne den Hardliner gibt, der auch schon mal den Rücktritt des Umweltministers fordert, wenn der sich unabgesprochen nur für eine moderate Laufzeitenverlängerung ausspricht. Allerdings wachsen parteiintern gerade die Zweifel, ob es Mappus gelingt, die Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2011 überzeugend zu gewinnen. Im einstigen CDU-Stammland brodelt es, der Streit um das Bahnprojekt Stuttgart 21 mobilisiert dort auch Teile der bürgerlichen Stammklientel gegen die Regierung. Dazu kommt, dass Mappus zugunsten von Bundesbildungsministerin Annette Schavan darauf verzichtet, beim Bundesparteitag um den stellvertretenden CDU-Vorsitz zu kandidieren. Schavan ist eine langjährige Alliierte von Mappus.
Eine ähnliche Selbstbeschränkung legt sich auch der Niedersachse David McAllister auf, der zwar als moderner Konservativer durchgehen könnte, wenn er nicht mit seinem Flankenschutz für Röttgen in der Laufzeiten-Diskussion demonstriert hätte, dass er das nicht unbedingt will: McAllister verzichtet zugunsten von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen auf den Posten als Merkel-Vize, was seinen Einfluss beschränkt, aber auch konsequent ist. Denn spätestens seit ihrer gescheiterten Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten gilt Leyen in der CDU ohnehin als Nummer zwei nach Merkel.