Die Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP) will Sicherungsverwahrungen nur noch in besonders schweren Fällen zulassen.
Berlin. Die Sicherungsverwahrung soll nach den Plänen von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) nur noch in absoluten Ausnahmen möglich sein. Die Maßnahme müsse auf schwere Fälle beschränkt werden, erklärte die Ministerin am Mittwoch in Berlin. Als Beispiele nannte sie Sexual- und Gewalttaten. Bislang gibt es keine Beschränkung auf bestimmte Delikte. Zudem soll es die Sicherheitsverwahrung nur noch geben, wenn sie bereits im Urteil - zumindest vorbehaltlich – vorgesehen war. Mit ihren Vorschlägen dürfte die Ministerin auf große Kritik bei Teilen der Union stoßen, die eine deutlich rigidere Linie verfolgt.
Bei der Sicherungsverwahrung bleiben Täter, bei denen die Gefahr eines Rückfalls besteht, auch nach der Haft eingesperrt. Union und FDP hatten im Herbst in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Sicherungsverwahrung neu ordnen zu wollen. Nahezu zeitgleich zu der Veröffentlichung der Eckpunkte der Ministerin präsentierten Politiker der Unions-Bundestagsfraktion am Mittwoch ihre Vorstellungen einer Reform. Ihr Grundgedanke ist, dass grundsätzlich kein Täter in Freiheit kommen soll, solange er eine Gefahr darstellt. Mit der Neuordnung reagiert die Politik auch auf Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg.
Wie die Innenminister der Bundesländer befürwortet die Union, elektronische Fußfesseln einzuführen, um rückfallgefährdete Täter nach der Haftentlassung orten zu können. Sie schlägt zudem vor, die Sicherungsverwahrung durch eine „Sicherheitsunterbringung“ zu ersetzen, die weniger an die Justizvollzugsanstalten angebunden ist. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) hatte angeregt, dazu eigene Anstalten einzurichten. Der Europäische Gerichtshof hatte das in Deutschland praktizierte System der Unterbringung von Tätern über das Haftende hinaus infrage gestellt.
Leutheusser-Schnarrenberger erklärte zu ihren Eckpunkten: „Sicherheit entsteht dann, wenn man sich auf die wirklich gefährlichen Täter konzentriert.“ Das Einsperren nach einer verbüßten Strafe müsse die Ausnahme bleiben. Die unter der rot-grünen Regierung eingeführte nachträgliche Sicherungsverwahrung habe sich nicht bewährt. Derzeit kann die Sicherungsverwahrung nach dem Urteil angeordnet werden, wenn sich etwa in der Haft neue Tatsachen ergeben.
Nach Angaben des Bundesjustizministeriums ist die Zahl der Menschen, die in Sicherungsverwahrung leben, zwischen den Jahren 2001 und 2009 von 257 auf 500 gestiegen. Der Bundestag hatte 1997 – zu Zeiten einer schwarz-gelben Koalition – eine Reform des Strafrechts beschlossen, die im Frühjahr 1998 in Kraft trat. Unter anderem wurde die bis da geltende Begrenzung der Sicherungsverwahrung auf zehn Jahre aufgehoben. Das bekamen einige Straftäter zu spüren, deren Sicherungsverwahrung dann nachträglich verlängert wurde.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellte fest, die rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung verstoße gegen die Menschenrechte. Was diese Entscheidung des Gerichtshofes in der Praxis bedeutet, darüber streiten sich die Rechtsexperten. Am Mittwoch entschied das Oberlandesgericht Koblenz, dass die Sicherungsverwahrung auch dann fortgesetzt werden kann, wenn sie vor der Aufhebung der Zehn-Jahres-Grenze angeordnet wurde. Dagegen war kürzlich im Saarland ein Schwerverbrecher nach einer Verfügung des Bundesgerichtshofes aus der Sicherungsverwahrung entlassen worden.