Leutheusser-Schnarrenberger will Gewalt gegen Polizisten nicht härter bestrafen. Sie geht auf Konfrontationskurs zur Union.
Berlin. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die Forderung von Innenminister Thomas de Maizière (CDU), Gewalt gegen Polizisten härter zu bestrafen, in scharfer Form zurückgewiesen. "Die Zunahme politisch motivierter Körperverletzungen gegenüber Polizisten ist ein Problem, das wirklich nicht mit Symbolik gelöst werden kann", sagte Leutheusser-Schnarrenberger dem Hamburger Abendblatt. "Gewaltbereitschaft von politischen Extremisten lässt sich nicht einfach durch höhere Strafandrohungen mindern." Die Realität sei komplexer als die Formel "Strafdrohung rauf, Kriminalität runter".
Der 1. Mai stehe in diesem Jahr besonders im Zeichen der nordrhein-westfälischen Landtagswahl am folgenden Wochenende, beklagte die Ministerin. "Ich warne vor einer politischen Instrumentalisierung auf allen Seiten des politischen Spektrums." Das Problem des gewaltbereiten Extremismus dürfe nicht mit einfachen Antworten vermengt werden. "Jeder muss sich selbst fragen, ob verbale Eskalation im Vorfeld des 1. Mai wirklich dem Polizisten auf der Straße hilft."
Die Sicherheitsbehörden befürchten für den Tag der Arbeit schwere Ausbrüche extremistischer Gewalt. Die Hemmschwelle, gegen Polizei oder den politischen Gegner vorzugehen, sei eindeutig gesunken, sagte eine Sprecherin des Kölner Bundesamts für Verfassungsschutz. Als Schwerpunkte möglicher Gewaltexzesse gelten Berlin und Hamburg, wo die Autonomen besonders stark sind. De Maizière wies im Abendblatt-Interview darauf hin, dass politisch links motivierte Kriminalität im vergangenen Jahr erheblich gestiegen sei. 2009 habe es erstmals mehr links als rechts motivierte Körperverletzungen gegeben. "Die Opfer sind zu 60 Prozent Polizeikräfte und zu 40 Prozent Angehörige der rechtsextremen Szene."
+++ SO KRIMINELL IST IHR STADTTEIL +++
Der Innenminister verlangte einen Straftatbestand bei Körperverletzungen gegen Polizeibeamte, der "ein deutlich höheres Strafmaß vorsieht". Außerdem müssten Feuerwehrleute und Rettungskräfte, die ebenfalls zunehmend Übergriffen ausgesetzt seien, in den Schutzbereich des entsprechenden Strafrechtsparagrafen einbezogen werden. Der Vorschlag, den Leutheusser-Schnarrenberger zur Umsetzung einer entsprechenden Koalitionsvereinbarung vorgelegt habe, reiche bei Weitem nicht aus.
Der Gesetzentwurf aus dem Justizministerium sieht laut "Spiegel" vor, dass künftig Angriffe auf Polizisten mit "gefährlichen Werkzeugen" wie Eisenstangen genauso verfolgt werden dürfen wie Gewalttaten mit echten Waffen. Die möglichen Strafen, heißt es in dem Entwurf, seien hingegen "ausreichend und angemessen; Erweiterungen und Verschärfungen bedarf es insoweit nicht".
Auf die Forderung des CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach, die Höchststrafe für Gewalt gegen Polizisten von zwei auf fünf Jahre zu erhöhen, reagierte Leutheusser-Schnarrenberger verärgert. "Wer behauptet, die Verletzung von Polizisten sei maximal mit zwei Jahren Freiheitsstrafe bedroht, dem empfehle ich einen Blick in das geltende Strafgesetzbuch", sagte die FDP-Politikerin. Schon bei einfacher Körperverletzung drohten bis zu fünf Jahren Haft, bei gefährlicher sogar bis zu zehn Jahren. "Das gilt für Polizisten genauso wie für alle anderen."
Bosbach hatte sich in der "Welt" auf Paragraf 113 des Strafgesetzbuchs bezogen, der speziell den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte regelt. Danach können Angriffe auf Polizisten mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden. Den Gerichten ist es in besonders schweren Fällen - beispielsweise bei Angriffen mit einer Waffe - allerdings auch nach diesem Paragrafen möglich, Haftstrafen bis zu fünf Jahren zu verhängen.
Wie die Innenpolitiker der CDU nannte die Deutsche Polizeigewerkschaft den Vorschlag aus dem Justizministerium unzureichend. Deren Vorsitzender Rainer Wendt räumte jedoch ein, dass eine Gesetzesverschärfung begrenzten Wert hätte. "Kein Gewalttäter lässt sich von höheren Strafen abschrecken", sagte er dem Abendblatt.