Die in Afghanistan verwundeten Bundeswehr-Soldaten wurden aufgrund der Aschewolke zunächst nach Istanbul ausgeflogen.
Termes. Es ist vielleicht die bisher wichtigste Reise von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Am Freitag startete er gegen 16.30 Uhr Ortszeit mit einer Transall-Transportmaschine vom ISAF-Hauptquartier für Nordafghanistan in Masar-i-Scharif nach Termes in Usbekistan. An Bord waren mit ihm vier Bundeswehrsoldaten, die am Donnerstag in der Provinz Baghlan im Kampf mit den Taliban teils schwer verwundet worden waren. Ein weiterer Verletzter wurde von Kundus mit einem Hubschrauber nach Termes eingeflogen.
Trotz der Vulkanwolke über Europa entschloss sich Guttenberg auf Rat seiner Luftwaffen-Experten, den Rücktransport der fünf Verletzten nicht abzusagen. Allerdings gestaltete er sich schwieriger als erwartet. Nach fast dreistündiger Wartezeit in Termes startete der von Köln nach Usbekistan beorderte Sanitäts-Airbus um 19.40 Uhr Ortszeit – zunächst ging es aber nur bis Istanbul. Die dritte Etappe nach Hause sollte folgen, sobald der Luftraum wieder frei ist.
Für den Minister war es eine Selbstverständlichkeit, die Soldaten nach Deutschland zu begleiten. Wenn man schon in der Region sei, dann „gehört es sich auch so, dass man mit seinen verwundeten Soldaten nach Hause fliegt“, sagte Guttenberg. Er hatte am Donnerstag auf dem Weg vom afghanischen Feisabad nach Termes im Hubschrauber von den schweren Kämpfen in Baghlan erfahren. Zu dem Zeitpunkt ging die Bundeswehr noch von einem tragischen Zufall aus.
Ein gepanzertes Geländefahrzeug vom Typ „Eagle IV“ – eins der modernsten Gefährte der Bundeswehr – sei von einer ungelenkten Rakete getroffen worden. Vier Soldaten seien dabei getötet worden, fünf verletzt, hieß es zunächst. Mit solchen Raketen versuchen die Taliban in der Regel vergeblich, Quadratkilometer große Feldlager der ISAF- Truppen zu treffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fahrzeug damit zerstört wird, ist äußerst gering.
Auf diesem Kenntnisstand gab Guttenberg auch seine erste Bewertung vor laufenden Kameras ab. „Es hat sich offenbar um einen besonders tragischen Fall gehandelt“, sagte er. Die Lage klärte sich erst am nächsten Morgen – und es bestätigte sich, was die Taliban schon am Vorabend behauptet hatten: Der „Eagle“ wurde von einer Sprengfalle erwischt. Dabei starben drei der vier Soldaten.
Besonders perfide ist, dass die Taliban kurze Zeit später einen ebenfalls gepanzerten Sanitäts-Transporter, der sich im Bergungseinsatz befand, unter Beschuss nahmen. Ein Oberstabsarzt wurde dabei getötet. Die Fahrzeuge vom Typ „Yak„ sind seit geraumer Zeit nicht mehr mit einem roten Kreuz gekennzeichnet, weil sie schon öfter zum Ziel von Anschlägen wurden. Wiederzuerkennen sind sie für die Taliban trotzdem.
Mit einer Offensive der Taliban war zu rechnen. Auch im vergangenen Jahr war die Zahl der Angriffe im Frühjahr sprunghaft angestiegen. Zwei so massive Angriffe auf die Bundeswehr in so kurzer Zeit mit so vielen Toten hat es allerdings noch nie gegeben. Schon nach dem blutigen Gefecht von Kundus am Karfreitag mit drei Toten sprach die Bundesregierung von „neuen Qualitäten“ der Auseinandersetzung mit den Taliban. Dieser Eindruck hat sich jetzt verstärkt. Die Angriffe zeigen einen hohen Organisationsgrad der Taliban, den sie in diesem Maße bisher nicht gezeigt haben.
In Baghlan war die Bundeswehr aber nicht alleine Angriffsziel. Mit drei Einheiten unterstützte sie eine Operation der afghanischen Armee zur Verdrängung der Taliban aus dem Umfeld einer strategisch wichtigen Brücke. Im Einsatz waren ein Beraterteam sowie zwei Unterstützungseinheiten. Insgesamt dürfte es sich um rund 90 deutsche Soldaten gehandelt haben. Die sogenannten OMLT-Beraterteams der Bundeswehr, von den Soldaten „Omelettes“ genannt, sind seit Ende 2006 im Einsatz, um den Afghanen bei ihren Einsätzen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die Bundeswehr hat inzwischen sieben solcher Teams.
Sie sind quasi die Pioniere der neuen Afghanistan-Strategie, die eine stärkere Ausbildung der afghanischen Armee in der Fläche vorsieht. Der Unterschied: Die OMLTs bewegen sich stets hinter den afghanischen Kräften und kämpfen nicht an vorderster Front gegen die Taliban. Künftig wird die Bundeswehr gemeinsam mit den Afghanen vorrücken – ein noch gefährlicherer Einsatz. Guttenberg mahnte während seiner Afghanistan-Reise mehrfach zu mehr Realitätssinn: „Der Einsatz in Afghanistan ist gefährlich, er bleibt gefährlich.“