Seit Jahresbeginn erheben viele Krankenkassen Zusatzbeiträge. Ihre Mitglieder wollen sie jedoch nicht zahlen und wechseln zu günstigeren.
Berlin. Viele Krankenversicherungen haben es immer befürchtet: Sobald sie Zusatzbeiträge erheben, werden ihre Mitglieder kündigen. Sie sollten zumindest zu Teil Recht behalten: Mehr als 250.000 Menschen haben nach einem Bericht des Berliner „Tagesspiegel“ vom Montag seit Jahresbeginn ihre Krankenkasse gewechselt oder einen Wechsel beantragt, um Zusatzbeiträgen zu entgehen. Spitzenreiter in der Gunst der Wechselwilligen sei die Techniker Krankenkasse mit 130.000 neuen Mitgliedsanträgen.
Doch auch andere Kassen verzeichnen einen regen Zulauf. Die Barmer GEK konnte seit Jahresanfang rund 100.000 neue Mitglieder gewinnen, berichtete der „Tagesspiegel“ weiter unter Berufung auf eine eigene Umfrage unter Krankenkassen. Die IKK Brandenburg und Berlin konnte demnach die Zahl ihrer Kunden um 4500 erhöhen, ein Zuwachs um rund 74 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Einen Zuwachs um 16.000 Mitglieder habe die AOK Berlin-Brandenburg verbucht.
Zahlreiche Krankenkassen erheben seit Jahresbeginn von ihren Mitgliedern einen Zusatzbeitrag von acht Euro im Monat, einige auch einen prozentualen Zuschlag. Viele beklagte sich allerdings über die schlechte Zahlungsmoral einiger ihrer Mitglieder. Zwischen September und Dezember vergangenen Jahres sei die Zahl der Vollstreckungsmaßnahmen bei der DAK von 32.000 auf 36.000 gestiegen, hieß es im „Tagesspiegel“. Bei der Techniker Krankenkasse hatten demnach 34.000 Mitglieder Rückstände in Höhe von insgesamt 125 Millionen Euro, bei der KKH Allianz seien 15.000 Mitglieder betroffen.
Nach Angaben des GKV-Spitzenverbands hatten die Kassen im vergangenen Sommer bereits Außenstände von 630 Millionen Euro, weil Mitglieder ihre Beiträge nicht zahlten. Der Spitzenverband forderte den Bund auf, die Rückstände auszugleichen. „Jeder soll krankenversichert sein, aber wenn die Mitglieder nicht zahlen, haben die Kassen kaum Möglichkeiten, an das Geld zu kommen“, sagte Verbandssprecherin Ann Marini dem „Tagesspiegel“. Das Bundesgesundheitsministerium lehnt eine Kostenübernahme bislang unter Hinweis auf den vom Bund an die Krankenkassen gezahlten Zuschuss ab.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt bekräftigte unterdessen das Nein seiner Partei zur Einführung einer Kopfpauschale. Damit trat er auch Kritikern aus den Reihen der CSU-Landesgruppe im Bundestag entgegen, die Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) wegen seines harten Widerstandes gegen die besonders von der FDP geforderte Einheitsprämie attackiert hatten. Er kenne keinen in der CSU, der für eine Kopfpauschale wäre, sagte dazu Dobrindt in der ARD. Vielmehr sei das Konzept seiner Partei, „starke Schultern müssen mehr tragen als schwache Schultern“. Gleichwohl bekannte sich Dobrindt zur Koalition mit der FDP. Das Regierungsbündnis sei sich trotz der Differenzen in der Gesundheits- und Steuerpolitik „in viel mehr Punkten einig“.