Der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr weist gegen ihn erhobene Vorwürfe zurück. Die politisch Verantwortlichen seien urteilsfähig gewesen.
Berlin. Bei seiner Vernehmung vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss ist der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan, in die Offensive gegangen und hat die politisch Verantwortlichen belastet. Die Minister seien so beraten worden, „dass sie stets urteilsfähig waren“, sagte Schneiderhan am Donnerstag in Berlin. Damit wies er die Darstellung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zurück, ihm seien Informationen vorenthalten worden.
Schneiderhan erklärte, bereits wenige Tage nach dem tödlichen Bombenangriff habe er eine „presseverwertbare Vorlage“ vorgelegt und der Politik mitgeteilt, dass unter den Opfern „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch Zivilisten“ gewesen seien. Die Möglichkeit, dass es zivile Opfer gegeben haben, sei von der militärischen Führung „sehr früh eingeräumt worden“, betonte Schneiderhan. Damals war noch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) im Amt. Er trat Ende November, mittlerweile als Arbeitsminister der schwarz-gelben Koalition, zurück und räumte Informationspannen ein. Jung hatte noch Tage nach dem Angriff erklärt, es habe keine zivilen Opfer gegeben.
Der Ausschuss untersucht den tödlichen Bombenangriff auf zwei von Taliban entführte Tanklaster, bei dem am 4. September 2009 bis zu 142 Menschen getötet wurden, unter ihnen zahlreiche Zivilisten. Geklärt werden soll, ob der vom deutschen Oberst Georg Klein befohlene Angriff in Nord-Afghanistan rechtmäßig war.
Schneiderhan erklärte, es gebe auch „heute noch kein eindeutiges Bild davon, welche Tote und Verletzte in welcher Kategorie es gegeben hat“. Die Begründung lieferte der Ex-General gleich mit: „Es gibt eben in Afghanistan kein Einwohnermeldeamt.“ Gleichwohl sei die Bundeswehr von Anfang an von der Öffentlichkeit unter Druck gesetzt worden. Die Soldaten in Afghanistan stünden unter einem besonderen Druck, erklärte Schneiderhan. So seien weder Frontlinien klar definierbar noch seien Zivilisten von Kämpfern zu unterscheiden. Er habe wiederholt darauf hingewiesen, dass es in Afghanistan weder ein Waffentrageverbot noch eine Nachtausgangssperre gebe. Das mache die Sache für Soldaten unübersichtlich.
Schneiderhan sprach von einem „Ende der herkömmlichen Entscheidungskriterien“ auf dem „neuen Kampfschauplatz“. Einsatzregeln oder taktische Anweisungen würden im Konsens mit NATO-Staaten festgelegt und seien damit nicht unbedingt deckungsgleich mit den Erwartungen im jeweiligen Heimatland. Das Spannungsfeld sei oft schwierig gewesen. So habe er seinen Soldaten erklären müssen, „warum wir den Spöttern ihre Häme vergeben müssen“.
Nach dem 4. September sei zunächst ISAF für die Aufklärung des Vorfalls zuständig gewesen, erklärte Schneiderhan. Er habe deshalb zusammen mit dem danach ebenfalls entlassenen Staatsekretär Peter Wichert entschieden, dass die Aufklärung zunächst auf internationaler Ebene erfolgen müsse. Beide seien sich einig gewesen, dass es keine Parallelermittlungen auf nationaler Ebene geben dürfe. Der Untersuchungsausschuss wollte am Donnerstag auch noch Staatsekretär Wichert vernehmen. Es wurde mit einer stundenlangen Sitzung bis spät in die Nacht gerechnet. Allein der Vortrag Schneiderhans erstreckte sich über gut zwei Stunden. In der nächsten Woche soll Jung vor dem Ausschuss gehört werden. Die Vernehmung Guttenbergs ist für den 22. April geplant.