Nach dem Absturz in der Wählergunst zieht die SPD jetzt mit verschiedenen Korrekturvorschlägen für die Hartz-Reformen die Notbremse.
Berlin. So soll es das Arbeitslosengeld I zwölf Monate länger als bisher geben, wenn Erwerbssuchende sich beruflich weiterqualifizieren. Für jene, die ins Arbeitslosengeld II fallen und damit von Hartz IV leben müssen, soll der Übergang besser abgefedert werden. Das Konzept legte das SPD-Präsidium genau sieben Jahre nach Verkündung der Reform- „Agenda 2010“ durch den früheren SPD-Kanzler Gerhard Schröder am Montag in Berlin vor. Beschließen soll es ein Parteitag im September.
Parteichef Sigmar Gabriel begründete die vorgeschlagenen Korrekturen mit dem Hinweis, der Arbeitsmarkt sei nicht zuletzt durch die Politik der schwarz-gelben Regierungskoalition „unfair“ geworden. Dauersubventionierte Armutslöhne machten sich breit und gefährdeten tausende von sozial abgesicherten Arbeitsplätzen. Leiharbeit fungiere inzwischen als „Lohndrücker“. Deshalb müsse der Arbeitsmarkt wieder in Ordnung gebracht werden. „Sozial ist, was Arbeit schafft, von der man leben kann“, sagte Gabriel.
Er stellte sich hinter den von den Gewerkschaften geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Bislang trat die SPD für einen Betrag von 7,50 Euro ein. Angesichts der 2011 in Kraft tretenden vollen Freizügigkeit für Arbeitnehmer in der EU würden solche Mindestlöhne umso wichtiger, sagte Gabriel.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe warf der SPD vor, sie sei „keine Arbeiterpartei mehr, sondern eine Partei ohne Markenkern“. Im Zick- Zack-Kurs versuche sie sich von der arbeitsmarktpolitischen Agenda Gerhard Schröders zu lösen. Die Vorschläge seien unausgegoren, hätten Beitragserhöhungen zur Folge und vernichteten Arbeitsplätze.
Durch die von der SPD angepeilte Verlängerung der Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I sollen Ältere diese Unterstützung künftig bis zu 36 Monate beziehen können, wenn sie sich besonders qualifizieren, Jüngere bis zu zwei Jahren. Die Kosten sollen nach den Vorstellungen der SPD aus den Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung getragen werden. Der frühere Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich jedoch optimistisch, dass sich diese Neuregelung durch sinkende Arbeitslosenzahlen selbst finanziert.
Zu den zentralen Punkten in dem Entwurf gehört die von der nordrhein-westfälischen SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft angeregte Schaffung eines „sozialen Arbeitsmarktes“ mit 200000 zusätzlichen Beschäftigungsverhältnissen. Dafür will die SPD drei Milliarden Euro aus Steuermitteln locker machen. Vollbeschäftigung sei das Ziel, stellte der SPD-Chef klar.
Eine Kehrtwendung soll es auch bei der Vermögensanrechnung von Hartz-IV-Empfängern geben: Da Union und FDP Immobilienvermögen nicht mehr anrechnen wollen, strebt die SPD aus Gleichbehandlung-Gründen den generellen Verzicht auf eine Vermögensprüfung an. Beim Übergang vom ALG I zum ALG II sollen sich die verbesserten Zuschläge an der Dauer der vorangegangen Beschäftigung orientieren. Damit will man Menschen, die bereits einmal gearbeitet haben, besser stellen. Derzeit gibt es im ersten Jahr für Langzeitlose maximal 160 Euro monatlich zum ALG II dazu, im zweiten Jahr 80 Euro.