Die Hartz-IV-Regelsätze sind für verfassungswidrig erklärt worden. Die Regierung will nun nachbessern. Was nicht zur Erhöhung führen muss.
Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesregierung in Sachen Hartz IV unter Druck gesetzt: Bis zum Jahresende muss sie die Hartz-IV-Regelsätze neu berechnen. Damit haben die Karlsruher Richter die größte Sozialreform in der deutschen Nachkriegsgeschichte gekippt. Den hoch verschuldeten Staat könnte dies Milliarden kosten. Könnte wohlgemerkt. Das Urteil bedeutet nicht zwangsläufige mehr Geld für die 6,7 Millionen Hartz-IV-Empfänger. Denn die Richter haben nicht die Höhe der Sätze, sondern deren Berechnung als verfassungswidrig erklärt. Die bisherigen Hartz-IV-Sätze sind dem Urteil zufolge nicht „evident unzureichend“. Rückwirkend höhere Leistungen für die knapp sieben Millionen Betroffene lehnte das Bundesverfassungsgericht daher ab.
Doch wie geht es jetzt weiter? Der Gesetzgeber müsse jetzt unter einem „ungeheuren Zeitdruck“ die Regelungen gesetzlich nachbessern, sagte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) kurz nach der Urteilsverkündung in Karlsruhe. Ob die Nachbesserung zu einer Erhöhung führen werde, sagte sie nicht. Sie wertete das Urteil vor allem als großen Sieg für die Kinder. Die Berechnungen ihrer Sätze hatte das Bundesverfassungsgericht besonders scharf gerügt. Der Bedarf für Kinder wird bislang nicht extra, sondern lediglich pauschal von dem eines Erwachsenen ermittelt. Die Karlsruher Richter sprachen von Schätzungen „ins Blaue hinein“.
Doch bessere Sozialleistungen für Kinder müssten aus von der Leyens Sicht nicht unbedingt durch Geldzahlungen erhöht werden. Das könnte auch durch Sachleistungen für Schulmaterial oder Nachhilfe erfolgen. Das Verhältnis von Geld-, Dienst- und Sachleistungen müsse ausgewogen sein, damit die Hilfen auch bei den Kindern ankämen, sagte die Ministerin.
Auch Bundesfamilienministerin Kristina Köhler kündigte zwar an, dass die Höhe und die Struktur der Sätze für Kinder auf den Prüfstand gestellt werden solle, doch nach ihrer Ansicht ziehe das Urteil nicht unbedingt eine Regelsatz-Erhöhung nach sich. „Das Urteil hat nicht gesagt, dass die Sätze erhöht werden müssen“, sagte die CDU-Politikerin. Vielmehr sei es eine Aufforderung, die Bedürfnisse von Kindern genau zu untersuchen.
Nach dem Spruch aus Karlsruhe dürfe man die Diskussion um das Existenzminimum aber nicht auf Hartz-IV-Empfänger verengen. „Wir müssen auch die Familien im Blick behalten, die ihr Einkommen und ihr Existenzminimum Monat für Monat ohne staatliche Leistungen erwirtschaften“, sagte sie. Diese Familien müssten mit Leistungen wie Kindergeld und Kinderzuschlag unterstützt werden. Es dürften nicht diejenigen bestraft werden, die „Verantwortung für Kinder übernehmen und für ihren Unterhalt arbeiten“, betonte die Ministerin. „Nicht Kinder machen arm, sondern Familien sind arm, weil sie keine Arbeit haben.“ Zudem sei die Armut oft nicht nur materieller Natur. Vielmehr sei Kinderarmut oft auch „Armut an Bildung und an Perspektiven.“ Hier gelte es, Ehrgeiz und Lust auf Bildung zu wecken.
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