Hartz IV wird immer öfter ein Fall für die Justiz. Allein in Berlin habe es 27.000 Verfahren gegeben, wie Gerichtspräsidentin Sabine Schudoma berichtet.
Berlin. Als die Hartz-IV-Reform vor fünf Jahren in Kraft trat, war das auch der Startschuss für eine regelrechte Klageflut. Vor allem in Berlin können die Richter ein Lied davon Singen, denn dort befindet sich Deutschlands größtes Sozialgericht. Insgesamt 86.000 Hartz-IV-Klagen sind dort bislang eingegangen. Und ein Ende ist lange nicht in Sicht. Im Gegenteil: „Die Klagewelle wächst von Jahr zu Jahr und bei uns von Tag zu Tag“, sagte Gerichtpräsidentin Sabine Schudoma.
2009 habe ihr Haus mit 39.000 Gerichtsverfahren vier Mal so viele wie noch 2004 zu bewältigen gehabt. Fast 27.000 davon beträfen den Hartz-IV-Bereich. 2005 betrafen von den insgesamt 22.600 Verfahren in ihrem Haus 6.950 Hartz-IV, 2006 waren es fast 11.900 von 26.200 Verfahren. Bereits 2008 zählte das Sozialgericht Berlin 21.510 Hartz-IV-Verfahren von insgesamt 33.520 Fällen. Den meisten Streit gebe es dabei um die Kosten der Unterkunft. Um die Arbeit noch bewältigen zu können, sei die Zahl der Richter von 55 im Jahr 2005 auf aktuell 103 gestiegen.
Harzt-IV sei eine "Jahrhundertreform“, deshalb sei ein hoher Klärungsbedarf normal, sagte Schudoma. Außerdem sei das Sozialversicherungsrecht keine einfache Materie. Allerdings lasse das Gesetz nach wie vor grundlegende Fragen offen, zum Beispiel bei den Kosten der Unterkunft. Manche Vorschriften seien nur sehr schwer handhabbar, zum Beispiel bei der Einkommensrechnung.
Als „deutlich auffällig“ bewertete die Gerichtspräsidentin die Erfolgsquote der Hartz-IV-Klagen. 51 Prozent der Kläger hätten 2009 zumindest einen Teilerfolg erzielt. Im Allgemeinen gingen nur ein Drittel der Klagen im Sozialgericht Berlin zugunsten der Kläger aus. Schudoma wies zudem darauf hin, dass 80 Prozent der Hartz-IV-Verfahren ohne Richterspruch endeten. Kläger und beklagte Behörde fänden in diesen Fällen mit Hilfe der Richter einen Kompromiss. Diese einvernehmliche Lösung schaffe dauerhaften Rechtsfrieden.