Kein einziger Schuss fiel. Und: Bei der Befreiung des Frachters „Arctic Sea“ wurden acht Verdächtige festgenommen.
Moskau. Russland hat den wochenlang verschollenen Frachter „Arctic Sea“ nach offiziellen Angaben aus der Gewalt von Entführern befreit. Insgesamt seien acht mutmaßliche Täter festgenommen worden, sagte der russische Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow nach Angaben der Agentur Itar-Tass am Dienstag. Die russische Schwarzmeerflotte hatte die 15 russischen Seeleute am Montag in der Nähe des westafrikanischen Inselstaats Kap Verde auf dem Schiff aufgespürt und befreit.
Die verdächtigen Entführer kamen laut Serdjukow aus Russland, Lettland und Estland. Was das Ziel des Überfalls war, blieb zunächst unklar. Medien hatten von Lösegeldforderungen berichtet. Nach Darstellung des Verteidigungsministers hatten zwei Russen, zwei Letten und vier Esten die „Arctic Sea“ bereits am 24. Juli in der Ostsee in ihre Gewalt gebracht. Die Entführer hatten sich in einem Schlauchboot dem Frachter genährt und unter dem Vorwand, in Seenot zu sein, die „Arctic Sea“- Besatzung um Hilfe gebeten. Das berichtete Serdjukow am Dienstag dem russischen Präsidenten Dmitri Medwedew unter Berufung auf Ermittler.
Der angeblich mit Holz beladene Frachter war demnach bereits seit Ende Juli in der Gewalt der Entführer. Nach dem Überfall seien alle Navigationsgeräte und die Bordtechnik abgestellt worden, sagte Serdjukow.Er erklärte damit den fehlenden Funkkontakt und das wochenlange Rätselraten um den Verbleib des Schiffs.
Die „Arctic Sea“ war mit Holz im Wert von 1,3 Millionen Euro an Bord auf dem Weg von Finnland nach Algerien, den letzten Kontakt hatte es am 28. Juli im Ärmelkanal gegeben. Vier Tage zuvor war die Besatzung nach eigenen Angaben in der Ostsee überfallen worden. Am Montag hatten die russischen Behörden die Befreiung der Mannschaft und des Schiffs mitgeteilit. Demnach sei der Frachter mit 15 russischen Seeleuten an Bord vor Afrika aufgespürt worden. Die Besatzung sei in Freiheit, gesund und nun an Bord einer russischen Fregatte, sagte der russische Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow. Der Frachter sei um 1.00 Uhr Moskauer Zeit (Sonntag, 23.00 Uhr MESZ) rund 300 Seemeilen (550 Kilometer) vor dem Inselstaat Kap Verde entdeckt worden. Die Seeleute würden von Ermittlern vernommen.
Der Direktor der Reederei Solchart Management Ltd., Viktor Matwejew, bestätigte das glückliche Ende der mysteriösen Irrfahrt. „Wir sind froh, dass die vollständige Besatzung in Sicherheit ist“, sagte er in Helsinki. Rund 20 Länder hatten nach der „Arctic Sea“ gesucht, die Holz im Wert von über einer Million Euro von Finnland nach Algerien bringen sollte. Russlands NATO-Botschafter Dmitri Rogosin sprach von einer „glänzenden“ Rettungsaktion.
Laut Rogosin war die Situation „ernst“. Russland habe aber erneut gezeigt, dass es jedem seiner Bürger Schutz gewähren könne, wo auch immer sich dieser befinde. Rogosin dankte ausdrücklich der NATO für ihre Hilfe bei der nervenaufreibenden Suche. Den letzten Funkkontakt mit dem Schiff hatte die britische Küstenwache am 28. Juli, als der Frachter den Ärmelkanal durchquerte. Seitdem wurde spekuliert, ob die „Arctic Sea“ in die Hand von Piraten gefallen oder mit einer geheimen Ladung – möglicherweise Waffen – in Richtung Afrika unterwegs war. Diese Fragen wurden zunächst auch nicht klar beantwortet.
Die finnische Reederei Solchart Management der „Arctic Sea“ teilte unterdessen mit, dass kein Lösegeld gezahlt worden sei. Das sagte der Charterdisponent der Firma, Alexej Starodubow, am Montagabend der „Berliner Zeitung". Die Reederei sei erst am Montag gegen vier Uhr nachmittags vom Verteidigungsministerium in Moskau über das glückliche Ende der Irrfahrt des Frachters informiert worden.