Das Martyrium an Bord des Hamburger Frachters dauert schon drei Monate. Dem Vater eines deutschen Offiziers an Bord reichte es nun.
Hamburg. Es muss zermürbend für sie sein: Während entführte Schiffe in den Piratengewässern von Somalia oft nach einigen Wochen freigekauft werden, ist die Crew des Hamburger Frachters "Hansa Stavanger" immer noch in der Hand der Seeräuber. Am 4. April wurde das Schiff der Reederei Leonhardt & Blumberg entführt. Ein Martyrium für die Crew: drei Monate Todesangst, Hitze und ständige Bedrohung durch bewaffnete Räuber, die unter Drogen stehen. Dazu der Nervenkrieg nach dem Zuständigkeitsgerangel in der Bundesregierung und einer hastig abgesagten Befreiung durch die GSG9. Dem Vater eines deutschen Offiziers an Bord reichte es nun: Er hat das Auswärtige Amt offenbar verklagt, weil zu wenig zur Rettung der fünf Deutschen und 19 weiteren Besatzungsmitglieder geschehen würde. "Der Eilantrag einer Klage durch einen Angehörigen ist uns bekannt", bestätigte eine Ministeriumssprecherin jetzt dem Abendblatt. Ein Krisenstab bemühe sich um die Freilassung. Weitere Details würden aus Rücksicht auf das Leben der "Hansa Stavanger"-Besatzung nicht genannt.
"Wir haben kein Wasser, kein Essen, keine Medikamente", berichtet der deutsche Kapitän nach Angaben des Magazins "Der Spiegel". "Wir können nicht mehr", schrieb er in einer E-Mail an seine Frau. Die Mannschaft sei emotional und physisch am Ende. Die Piraten hätten sämtliche Habseligkeiten der Seeleute geraubt, viele seien krank. Einmal hätten ihnen die Piraten die Augen verklebt und knapp über ihre Köpfe hinweg geschossen.
Der auf Seefahrtthemen spezialisierte polnische Journalist Leo Walotek-Scheidegger hat über Angehörige Kontakt zu dem Kapitän der "Hansa Stavanger", der deutscher Staatsbürger ist und aus Polen stamme. Plötzlich sei der Kontakt abgebrochen. Walotek-Scheidegger: "Die Lage spitzt sich zu, die Piraten werden immer nervöser, andere Clans mischen inzwischen auch mit."
Tatsächlich dürfte die Lage für die Crew vor allem nach dem GSG9-Desaster wohl brenzlig geworden sein. Laut "Spiegel" sollte die deutsche Elite-Polizeitruppe GSG9 die Mannschaft befreien, der Coup wurde abgeblasen - doch die Piraten erfuhren offensichtlich von dem Plan und sollen weitere schwer bewaffnete Männer an Bord des Schiffes gebracht haben, das einige Meilen vor der Küste vor Anker liegt. Verhandlungen über Lösegeldforderungen mussten von Neuem beginnen, vermuten Beobachter. Möglicherweise teilten die Piraten die Crew auch auf - so gab es Berichte, dass einige aus der Mannschaft an Land verschleppt worden seien. "Der Kapitän weiß auch nicht, wo alle seine Leute sind", sagt Walotek-Scheidegger, der mehr Engagement für die entführten Seeleute fordert.
Eine Stellungnahme zu der aktuellen Lage ist unterdessen bei der Reederei Leonhardt & Blumberg nicht zu bekommen. Bei allen Anfragen zur "Hansa Stavanger" verweist das Unternehmen auf das Auswärtige Amt.
Auch die Deutsche Seemannsmission beklagt inzwischen, dass das Schicksal der "Hansa Stavanger"-Mannschaft kaum noch Beachtung in der Öffentlichkeit findet. "Die Aufmerksamkeit ist zu gering, da muss mehr passieren", sagt Missionsmitarbeiter André Schlesselmann. Er weiß, wie lange auch nach einer Entführung die Piraten-Opfer noch leiden, welche Ängste sie haben. "Doch auch in der psychologischen Nachsorge wird sich viel zu wenig um betroffene Seeleute gekümmert", sagt er. Um eine kleine Hilfe anzubieten, hat die Seemannsmission eine eigene Internetseite eingerichtet, bei der sich Betroffene informieren und austauschen können. Die Adresse: www.bedrohung-auf-see.de .