Ein Chemikalienhändler aus Hodenhagen (Kreis Soltau-Fallingbostel) gestand, die Terroristen der „Sauerland-Gruppe“ beliefert zu haben.
Verden. Ein Chemikalienhändler hat am Dienstag vor dem Landgericht Verden gestanden, die Terroristen der „Sauerland-Gruppe“ beliefert zu haben. Er habe aber nicht vermutet, dass die neun 65-Kilo-Kanister Wasserstoffperoxid zur Herstellung von Sprengstoff benutzt werden sollten, erklärte der 39-Jährige beim Prozessauftakt. Für die Planung der größten Anschläge in der Geschichte der Bundesrepublik hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf im März vier Islamisten zu Haftstrafen zwischen fünf und zwölf Jahren verurteilt.
In ihrer einstündigen Anklageverlesung warf die Staatsanwaltschaft Verden dem Chemikalienhändler aus Hodenhagen (Kreis Soltau-Fallingbostel) mehr als 200 Einzelfälle aus den Jahren 2007 bis 2009 vor. Er habe über das Internet zahlreiche Substanzen vertrieben, deren Verkauf an sich zwar nicht illegal sei. Strafbar sei dabei aber, dass der 39-Jährige aufgrund seiner großen Vorkenntnisse habe wissen müssen, dass die Chemikalien zur Herstellung von Sprengstoff oder Betäubungsmitteln geeignet waren.
Die Verfahrensbeteiligten einigten sich auf einen Deal, um den Prozess abzukürzen. Wenn der Beschuldigte ein glaubhaftes Geständnis ablegt, wird ein Teil der Vorwürfe fallengelassen. Ihm droht dann eine Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren und neun Monaten, aber höchstens drei Jahren und neun Monaten.
Im Jahr 2007 sei der Terrorist Fritz Gelowicz mehrmals bei ihm gewesen und habe die bestellten Kanister abgeholt, berichtete der Angeklagte. Er habe keinen Verdacht geschöpft. Der Kunde habe „ordentlich ausgesehen, war umgänglich“. Zudem könne Wasserstoffperoxid auch zur Desinfektion oder zum Blondieren von Haaren benutzt werden.
Mehrere Stunden ging der Vorsitzende Richter mit ihm die einzelnen Vorwürfe durch und fragte immer wieder nach, ob sich der Angeklagte nicht habe denken können, dass der Verwendungszweck für die bestellten Substanzen nicht immer harmlos war. So baute ein Mann mit der erhaltenen Ware eine Rohrbombe, andere stellten Amphetamine her. Angeklagt sind auch mehrere Fälle, in denen Mütter für ihre Söhne im Teenageralter gefährliche Stoffe bestellten. „Ich habe meinen Kunden keine Böswilligkeit unterstellt, im Nachhinein wäre das vielleicht besser gewesen“, erklärte der Familienvater.
Bei einigen Bestellungen räumte er ein, dass er bei solch einer Zusammenstellung hätte misstrauisch werden müssen. In anderen Fällen bestritt er, dass ihm das Gewünschte hätte verdächtig vorkommen müssen. Dann erklärte er ausführlich, warum diese Kombination der Substanzen seiner Meinung nach nicht für den Bau von Sprengstoff oder das Mixen von Betäubungsmitteln tauge.
Insgesamt hatte der Online-Händler rund 3000 Kunden. Offiziell lief die Firma auf den Namen seiner Frau, nach Angaben der Staatsanwaltschaft war er aber faktischer Inhaber. „Ich habe mich seit meinem 13. Lebensjahr mit Chemie beschäftigt“, sagte der 39-Jährige. Den Handel mit Chemikalien habe er begonnen, weil er Geld für ein geplantes Lehramtsstudium verdienen wollte. „Der Ansturm war enorm“, berichtete der Beschuldigte. Er habe guten Gewinn gemacht. Der Prozess wird an diesem Donnerstag fortgesetzt.