Werden die AKW-Laufzeiten am Bundesrat vorbei verlängert? Umweltminister Röttgen sagt Nein – zum Unmut seines Parteikollegen Mappus.
Die Atompolitik sorgt in der schwarz-gelben Koalition weiter für Zündstoff. Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus hat nun Bundesumweltminister Norbert Röttgen (beide CDU) sogar den Rücktritt nahegelegt. „Ich bin nicht mehr bereit, die Eskapaden des Bundesumweltministers zu akzeptieren“, sagte Mappus am Montag in Stuttgart. „Politik ist ein Mannschaftsspiel und wer Individualsport bevorzugt, der muss sich ein anderes Tätigkeitsfeld suchen.“
Zu der Frage, ob die Laufzeiten der Kernkraftwerke ohne den Bundesrat verlängert werden können, gebe es klare Vorgaben aus dem Kanzleramt. Wenn Röttgen hier einfach widerspreche, sei das nicht hinnehmbar. Mappus verlangte ein Machtwort von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Ich erwarte vom heutigen Tag, dass der Kollege Röttgen zurückgepfiffen wird.“
Mappus machte auch deutlich, dass er an Merkels Stelle Röttgen bereits aus dem Kabinett geworfen hätte. „In Baden-Württemberg wäre es schon so, wenn da ein Minister auf Dauer anderer Meinung ist wie der Rest der Regierung, dann müsste er sich mit Blick auf die Individualsportart ein anderes Betätigungsfeld suchen.“
Mappus Vorstoß erfolgt vor dem Hintergund der Debatte um die Zustimmungspflicht des Bundestages. Nach dem Verlust ihrer Mehrheit im Bundesrat wollen Union und FDP die Laufzeiten der Atomkraftwerke ohne Zustimmung der Länderkammer verlängern. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) kündigte in den Zeitungen der WAZ-Mediengruppe vom Samstag ein „verfassungskonformes, zustimmungsfreies Gesetz“ an.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen ging daraufhin auf Konfrontationskurs zu Pofalla. Röttgen beharrt darauf, dass eine Laufzeitverlängerung bei Atomkraftwerken „tendenziell der Zustimmung des Bundesrates bedarf“. Eine zustimmungsfreie Lösung könne allenfalls bei einem „moderaten“ Laufzeit-Plus in Betracht kommen, sagte der CDU-Politiker der „Frankfurter Rundschau“ (Montagausgabe).
Röttgen hatte sich früher für eine Verlängerung der Laufzeiten um bis zu acht Jahren starkgemacht; im Gespräch sind aber bis zu 28 Jahre. Er sprach sich dafür aus, die verfassungsrechtlichen Spielräume für die moderate Version auszuloten. Röttgen betonte, dass eine erfolgreiche Energiepolitik „in Zukunft sehr stark auf Kooperation von Bund und Ländern angelegt“ sein müsse, zum Beispiel beim notwendigen Ausbau der Stromnetze.
Der Minister mahnte, die Frage der Bundesratszustimmung sei eine „rein verfassungsrechtliche Frage, die nicht politisiert werden sollte“. Er warnte davor, Risiken bei der Entscheidung über die Laufzeitverlängerung einzugehen. Die Energieversorger brauchten jetzt vor allem Investitionssicherheit. Verfassungsrechtliche Risiken müssten daher „so weit wie möglich ausgeschlossen sein, weil sie sonst zu Investitionszurückhaltung in der Branche führen werden“.
Nach Ansicht der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ kann der Bundesrat nur dann umgangen werden, wenn es keine zusätzlichen Sicherheitsauflagen für Atomkraftwerke gibt. Wenn Pofalla die Laufzeiten am Bundesrat vorbei verlängern wolle, sei das nur möglich, indem bei der Sicherheit Abstriche gemacht würden, um den Ländern den Mehraufwand zu ersparen.