Die Liberaldemokraten beraten über ein Bündnis mit den konservativen Tories. Die Verhandlungen ziehen sich jedoch vermutlich noch länger hin.
London. Im Gerangel um die Macht nach der Wahl in Großbritannien haben die Parteien mögliche Koalitionen ausgelotet - eine schnelle Lösung zeichnet sich jedoch nicht ab. Alle Augen waren auf den Chef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, gerichtet. Der kam am Sonnabend mit Abgeordneten seiner Partei zusammen, um über ein Bündnis mit den konservativen Tories von Parteichef David Cameron zu beraten. Kommt dies zustande, sind die Tage von Premierminister Gordon Brown gezählt. Die Verhandlungen ziehen sich jedoch vermutlich noch länger hin. Cameron wollte erst am Montagabend mit seinen Abgeordneten zusammentreffen, um die Lage zu beraten.
Die Konservativen waren bei der Parlamentswahl am Donnerstag zwar stärkste Partei geworden, hatten aber die absolute Mehrheit verfehlt. Browns Labour-Partei wurde abgestraft und musste herbe Verluste hinnehmen. Jedoch buhlt auch Browns Partei um die Liberaldemokraten, um in einer Koalition weiter an der Macht zu bleiben. Nach Medienberichten haben Brown und Clegg bereits telefoniert. Im Vordergrund der Verhandlungen steht die Reform des Wahlsystems, das bisher kleine Parteien wie die Liberalen benachteiligt.
Clegg hielt sich am Samstag alle Optionen offen und deutete längere Sondierungen an. Seine Priorität sei eine „grundlegende, politische Reform. Er würde jedoch in den „kommenden Stunden und Tagen konstruktiv“ vorgehen. Zwar sind die Tories auf eine schnelle Lösung erpicht – auch weil die Finanzmärkte am Montag sensibel auf die unsichere Lage reagieren könnten. Aus Parteikreisen hieß es jedoch, es werde „wahrscheinlich“ kein Ergebnis vor Montag geben.
Gespräche zwischen führenden Mitgliedern der „Lib Dems“- Großbritanniens drittgrößter Partei – und der Tories am Freitagabend sowie ein Telefon zwischen Clegg und Cameron hatten keinen Durchbruch gebracht. Ein neues Treffen zwischen Spitzen der Liberalen und der Tories soll es am Sonntag geben. Um mögliche Ministerposten für die „Lib Dems“ sei es bei den Sondierungsgesprächen noch nicht gegangen, hieß es.
Bis eine neue Regierung gebildet ist, bleibt Brown weiter im Amt. Auch er versucht, die Liberalen ins Boot zu holen. Spekulationen gab es aber darüber, dass Clegg mit Brown nicht zusammenarbeiten wolle und den Kopf des Premiers fordern könnte. Schon seit Tagen diskutieren die Medien über mögliche Nachfolger für Brown, der auch in seiner eigenen Partei umstritten ist. Labour hatte bei der Wahl das zweitschlechteste Ergebnis in der Nachkriegsgeschichte eingefahren.
Sowohl Cameron als auch Brown hatten den Liberalen eine Wahlreform in Aussicht gestellt. Die Tories gingen jedoch nicht so weit wie Labour und schlugen nur einen parteiübergreifenden Ausschuss vor. Clegg könnte das zu wenig sein. Die Liberaldemokraten wollen ein Wahlsystem, das die tatsächliche Stimmenanteile besser abbildet als das bisher geltende Mehrheitswahlrecht. Derzeit kommt nur ein Abgeordneter pro Wahlkreis ins Parlament. Die Stimmen für seine Konkurrenten – auch wenn sie ihm nur knapp unterlegen sind - verfallen.
Die Tories kämen zusammen mit den Liberalen auf 363 von insgesamt 650 Sitzen im Unterhaus, Labour mit den Liberalen auf 315. Das wäre immer noch nicht die Mehrheit. Labour müsste also noch andere kleinere Parteien ins Boot holen. Cameron hatte am Freitag angedeutet, auch er könne sich eine Konstellationen vorstellen, in der die Tories als Minderheitsregierung von regionalen Parteien aus Schottland, Nordirland und Wales geduldet würden.