Britische Wurzeln: der Partei- und Fraktionschef der CDU in Niedersachsen, David McAllister, 39.
1. Hamburger Abendblatt:
Herr McAllister, Sie haben schottische Wurzeln und kennen das britische Parteiensystem sehr genau. Wie geht es in Großbritannien jetzt weiter, nachdem weder Tories noch Gordon Brown mit Labour allein regieren können?
David McAllister:
Wahlsieger sind die Konservativen. Die Briten haben eindeutig entschieden, dass Labour das Mandat verloren hat, weiterzuregieren. David Cameron und die Tories sind jetzt am Zug. Die Tories und die Liberalen sollten aufeinander zugehen. Es gibt finanz- und wirtschaftspolitische Schnittmengen zwischen beiden, aber ebenso Differenzen bei den Themen Zuwanderung, Sicherheit und Europa.
2 Großbritannien steckt in einer Wirtschaftskrise. Und nun kommt es wohl zu einer Koalitionsregierung. Schadet das dem Land?
Großbritannien steht vor unglaublich schwierigen Herausforderungen. Das Land ist viel härter von der Wirtschafts- und Finanzkrise getroffen worden als Deutschland. Der britische Staatshaushalt ist völlig aus dem Ruder gelaufen. Die neue Regierung muss den Haushalt schnell strukturell konsolidieren. Es wird schwere Einschnitte geben und unpopuläre Entscheidungen. Vor diesem Hintergrund sind stabile Mehrheiten im Parlament notwendig.
3. Sie haben sich selbst den Wahlkampf der Tories in London angesehen. Sind Sie enttäuscht vom Abschneiden der Partei?
Im Gegenteil. Alle wussten, dass eine absolute Mehrheit der Tories den größten Swing in ihrer Geschichte seit 1931 voraussetzen würde. David Cameron hat ein tolles Ergebnis erzielt: fast 100 Sitze mehr für die Konservativen. Er hat die Tories modernisiert, er hat sie sympathischer und wählbarer gemacht. Es freut mich für ihn persönlich, weil ich ihn sehr schätze.
4. Die Liberaldemokraten wurden hoch gehandelt. Wie ist deren schwaches Ergebnis erklärbar?
Die Liberalen sind die große Enttäuschung der Wahl. Sie wurden in den Umfragen offensichtlich zu hoch gehandelt. Der mediale Hype um die Partei und ihren Chef Nick Clegg nach den Fernsehdebatten waren wohl nicht hilfreich. Und dennoch kann er jetzt der Königsmacher werden.
5. Es gab chaotische Szenen bei der Wahl, sogar zu wenige Wahlzettel. Wie konnte es zu solchen Zuständen kommen?
Das ist ein völlig unerklärlicher Vorgang, der konsequent aufgearbeitet werden muss. Solche Pannen darf es in einer hoch entwickelten Demokratie nicht geben. Die unabhängige Wahlkommission hat zu Recht eine gründliche Untersuchung angekündigt. Da werden einige Kommunalverwaltungen scharfe Fragen beantworten müssen.