Hamburg. In dieser Ausgabe verrät Winzer Stefan Winter wie er Wein machen will, bei dem man sich beim ersten Glas schon auf das zweite freut.
Sein Weingut hat eine lange Tradition, es ist spezialisiert auf hochwertige Rieslinge, macht inzwischen aber auch einen sehr guten Sauvignon Blanc – und ist in Deutschland, wenn überhaupt, trotzdem nur ein Geheimtipp. „Wir sind ein leises Weingut“, sagt Stefan Winter, der diesmal in unserer Reihe „Vier Flaschen“ zu Gast ist.
Weinexperte Michael Kutej, Rieslingliebhaber Lars Haider und Apfelsaftschorlentrinker Axel Leonhard waren auch mehr durch einen Zufall auf Stefan Winter aufmerksam geworden, genauer gesagt auf seinen Sauvignon Blanc, der ihnen so gut gefiel, dass sie beschlossen, den Winzer aus Rheinhessen zu einer gemeinsamen Probierrunde einzuladen.
„Vier Flaschen“: Winters schwärmt für Riesling
Das Weingut Winter gibt es seit 1469, es baut auf einer Fläche von 25 Hektar vor allem Riesling, nämlich zu 65 Prozent, an, und ansonsten nur vier weitere Rebsorten. „Ich mag es klassisch, minimalistisch und puristisch, und ich möchte mich auf etwas konzentrieren können“, sagt Stefan Winter, der die Geschäfte seit inzwischen 22 Jahren führt.
Und: „Unser Herz schlägt für den Riesling, die Rebsorte, die ich für die wichtigste halte, die wir in Deutschland haben.“ Anderswo, also etwa in Ländern wie der Schweiz, Belgien, den Niederlanden oder Dänemark, die Winter unter anderem beliefert, würden deutsche Rieslinge schon lange gefeiert, zu Hause leide der Wein immer noch unter dem „Ich-vertrage-die-Säure-nicht“-Vorurteil.
Auch daran will Stefan Winter etwas ändern, indem er Weine macht, „die vor allem einen starken Trinkfluss haben. Ich will, dass man sich schon beim ersten Glas auf das zweite freut.“
Der Test beginnt mit der Rebsorte, die nach wie vor die populärste in Deutschland ist, und die es in unzähligen Qualitätsstufen (und dem genauen Gegenteil von Qualität) gibt: Der Grauburgunder spielt auch für Stefan Winter eine große Rolle, eben weil er seit Jahren einen Boom erlebt.
Was den Grauburgunder besonders auszeichnet
Der Flasche aus dem Jahrgang 2021 schmeckt man an, dass sie von einem Riesling-Winzer gemacht worden ist, der Grauburgunder ist sehr frisch, saftig, aber auch leicht mineralisch: „Das könnte eine gute Brücke für all diejenigen sein, die gern Grauburgunder trinken, sich aber an Rieslinge nicht herantrauen“, sagt Haider. Kutej schmeckt gelben Apfel heraus, Winter Honigmelone, ist aber „eigentlich kein Freund von solchen Beschreibungen. Ich bin einfach nur froh über jeden, dem ein Wein schmeckt, ganz gleich, was er schmeckt.“
Während der Grauburgunder für den Winzer nach dem Riesling die zweitwichtigste Rebsorte ist, war der Sauvignon Blanc bislang „nicht viel mehr als ein Hobby“ – aber eines, dass sich für Weintrinker lohnt: Die Flasche kostet zehn Euro, „das Preis-Leistungs-Verhältnis ist sehr gut, das gilt nach wie vor für ganz Rheinhessen“, sagt Kutej.
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Ernte vom Kalkstein Riesling begann Anfang September
Heißt übersetzt: Die Winzer aus der Region haben, bis auf wenige Ausnahmen, seit Jahrzehnten das Problem, für ihre Weine Preise zu verlangen, die in anderen Teilen Deutschlands längst üblich sind. Es sei aber nur eine Frage der Zeit, so Kutej, bis sich das ändert. „Wir haben in Rheinhessen eine Zeit lang den Fehler gemacht, immer dem Zeitgeist hinterherzurennen, anstatt uns auf unsere Stärken zu besinnen“, sagt Winter.
Zur dritten Flasche, dem ersten von zwei Rieslingen. Der Kalkstein Riesling aus dem Jahr 2021 soll „nach Heimat schmecken“, das heißt: Die Trauben werden alle per Hand geerntet, die schlechten werden gleich auf dem Weinberg aussortiert, danach wird das gute Material „in große Körbe gelegt, nicht geworfen, so behutsam wie möglich, damit die Trauben nicht leiden“, sagt Winter, der in diesem Jahr mit der Ernte Anfang September begonnen hat.
„Vier Flaschen": Winter fällt Fazit über Wein-Jahrgang 2022
Der Kalkstein Riesling ähnelt in seiner Grundstilistik den ersten beiden Weinen, er ist frisch, mineralisch und animiert zum Trinken, aber er ist auch noch blutjung.
Das gilt für das den Dittelsheim Leckerberg Riesling aus dem Jahr 2019, ein Großes Gewächs, noch mehr: „Den würde ich nicht jetzt trinken, sondern frühestens in fünf Jahren. Er hat alle Anlagen, ein sehr guter Wein zu werden, aber noch ist die Säure sehr präsent, und die Aromatik in einem Anfangsstadium“, sagt Michael Kutej, der Ananas und andere tropische Früchte herausschmeckt. Kleiner Nachteil: Das Große Gewächs kostet mit 35 Euro mehr als die anderen drei Flaschen zusammen.
Bleibt die Frage, wie die der aktuelle Jahrgang war, 2022: Er sei sehr trocken gewesen, sehr warm, der Sommer war lang, „das haben ja nicht nur die Winzer gemerkt“, so Winter. Alles in allem sei 2022 ein anspruchsvoller Jahrgang gewesen, der viel handwerkliche Arbeit und das entsprechende Wissen gefordert hätte: „Alles andere muss man dann ausprobieren, wenn wir die ersten Weine auf den Markt bekommen …“
Die „Vier Flaschen“ können Sie sich auch unter www.abendblatt.de/podcast anhören oder auf dem YouTube-Kanal des Hamburger Abendblatts ansehen. Im Wechsel mit der bekannten, etwa 90 Minuten langen Folge gibt es alle zwei Wochen eine schnelle Variante: In maximal 9:59 Minuten testen Kutej, Haider und Leonhard eine Flasche Wein, die unter zehn Euro kosten muss, und die am Ende mit Punkten von eins bis zehn bewertet wird.