Hamburg. HSV-Sportpsychologe Frank Weiland spricht vor dem DFL-Workshop über seine Arbeit und den Unterschied zwischen Profis und Nachwuchs.
Am Donnerstag und Freitag wird Erwin Weiland auf seinen Papa verzichten müssen. Vater Frank wird zu Gast im DFB-Campus in Frankfurt am Main sein, wo die DFL alle Sportpsychologen der Fußball-Leistungszentren zu einer zweitägigen Fortbildung eingeladen hat. Bereits seit sechs Jahren arbeitet Papa Frank als Sportpsychologe im HSV-Leistungszentrum – und freut sich auf das Klassentreffen aller Kollegen in Frankfurt.
Vorab war der 38-Jährige in der Abendblatt-Redaktion am Großen Burstah, um im Podcast HSV – wir müssen reden ausführlich über den Workshop und seinen Job zu sprechen – und dabei auch mehrere zuvor aufgezeichnete Fragen von Sohnemann Erwin zu beantworten.
Der Sechsjährige, der beim HSV-Spiel gegen Düsseldorf sogar Auflaufkind sein durfte, fragte nach dem Lieblingsspieler seines Vaters (Thierry Henry) und ob ihm seine Arbeit eigentlich Spaß mache. „Wenn es einen Traumjob auf dieser Welt gibt, dann ist es dieser bei diesem Verein“, antwortete Weiland, der beim HSV für die U16 bis zur U21 und für die HSV-Frauen und U17-Juniorinnen zuständig ist.
HSV-Psychologe: Warum manche Mentaltrainer bevorzugen
In dem 90-minütigen Gespräch (mit Nachspielzeit) erläuterte Weiland die Unterschiede zwischen einem Sportpsychologen und einem Mentaltrainer, gab Einblicke in seinen Alltag und erklärte, warum seine Art der Arbeit aus seiner Sicht noch immer stiefmütterlich im Fußball genutzt wird.
„Sportpsychologie im Fußball ist noch immer Pionierarbeit“, sagte der Altonaer, dessen Professor und Mentor DFB-Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann war und ist. Besonders im Nachwuchsbereich werde laut Weiland seit dem Suizid von Robert Enke 2009 der Fokus auf die Arbeit an der psychischen und mentalen Gesundheit gelegt, der Bereich der Leistungsentwicklung allerdings vernachlässigt.
„Solange in den Köpfen noch immer vorherrscht, dass das etwas mit Schwäche zu tun hat, bleibt es schwierig“, sagte Weiland. „Deswegen ist auch der Begriff des Mentaltrainers so attraktiv und so sexy, weil das suggeriert, dass da an der Mentalität gearbeitet wird und dass es da dann kein psychologisches Thema ist.“ Dabei sollte aus seiner Sicht auch Sportpsychologie im Alltag eher psychologisches Training genannt werden.
HSV-Psychologe: Auch Profis suchen ihn auf
Obwohl Weiland vorrangig für den Nachwuchs zuständig ist, gibt es auch immer wieder Profis, die den dreifachen Familienvater konsultieren. Zum Beispiel Stürmer Robin Meißner, der derzeit an Viktoria Köln verliehen ist. „Für mich spielt die Psychologie eine wichtige Rolle, ich treffe mich oft mit Frank Weiland aus dem Campus, habe gemerkt, dass mir das weiterhilft, ob es bestimmte Techniken sind oder ob man einfach über gewisse Themen oder Probleme redet“, sagte Meißner mal dem Abendblatt. Sportpsychologie würde ihn extrem interessieren.
Und obwohl es immer mehr Profifußballer gibt, die es ähnlich wie Meißner sehen, spricht sich Weiland trotzdem dagegen aus, die Stelle eines Sportpsychologen im Profibereich genauso verpflichtend zu machen wie im Nachwuchsbereich.
„Es würde nicht mehr intrinsisch motiviert freiwillig passieren“, sagte Weiland. „Wir Sportpsychologen haben einfach die Aufgabe, dass wir durch gute Arbeit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass immer mehr auf diese Möglichkeit zurückgegriffen wird. Ich würde es aber auf keinen Fall verpflichtend machen.“
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HSV-Psychologe muss in die Trickkiste greifen
Beim HSV sehen es die Entscheider offenbar ähnlich. Denn obwohl Vorstand Jonas Boldt nach eigener Aussage ein Verfechter der Sportpsychologie ist, hat er im Gegensatz zu den Bundesligisten FC Bayern, Borussia Dortmund, RB Leipzig und 1899 Hoffenheim in seiner HSV-Zeit keinen trainerunabhängigen Psychologen bei den Profis installiert. Unter Ex-Trainer Daniel Thioune setzte der HSV auf Reflexionstrainer Martin Daxl, zuvor ergänzte der Football-Tausendsassa Patrick Esume als eine Art Mental- und Motivationscoach Dieter Heckings Trainerstab.
Anders als seine Vorgänger verzichtet Tim Walter ganz bewusst auf einen Sportpsychologen oder einen Mentalcoach in seinem Trainerstab. Und während sich Weiland mit einer Bewertung zurückhielt, betonte der frühere Hockey-Olympiasieger Moritz Fürste im vergangenen Jahr sein Unverständnis darüber, warum dieses Potenzial bei Fußballproficlubs aus seiner Sicht noch immer zu wenig ausgenutzt wird. „Auf Topniveau ist der Kopf die wichtigste Komponente. Warum trainieren wir ihn dann so wenig?“, frage Fürste in einem Gastbeitrag für das Abendblatt.
Die Frage konnte im Podcast nicht final beantwortet werden – im Gegensatz zu Erwins Abschlussfrage. Denn der wollte von seinem Papa wissen, ob er schon einmal gesehen habe, wer denn eigentlich im Kostüm von Dino Herrmann stecke. Vater Weiland antwortete mit einer Gegenfrage, die aber alle Kinder beruhigen dürfte: „Welche Maske?“