Hamburg. Verändert sich die Fankultur wegen Corona? Die Kandidaten um den Supporters-Vorsitz Sven Freese und Martin Oetjens im Duell.
Am frühen Montagabend erhielten die HSV-Verantwortlichen die Gewissheit, auf die sie gerne verzichtet hätten. Nach stundenlangen Beratungen informierte das Gesundheitsamt Altona den Club gegen 18 Uhr, dass das Nachholspiel gegen Erzgebirge Aue, das vor zwei Wochen wegen zweier positiver Corona-Tests ausgefallen war, an diesem Mittwoch statt der zunächst zugelassenen 4500 Zuschauer nur mit 1000 Fans genehmigt wird.
Der HSV reagierte sofort und informierte alle bereits angenommenen Bewerber, ob sie noch immer am Mittwoch in den Volkspark kommen dürfen oder nicht.
HSV-Podcast: Die große Fan-Debatte
Auch Sven Freese hatte sich für eine Eintrittskarte beworben, muss sich nun aber genau wie Martin Oetjens die Partie ihres HSV im Fernsehen anschauen. Dafür waren die beiden HSV-Anhänger am Montag beim Warm-up im Abendblatt-Podcast „HSV – wir müssen reden“, als sie sich zum ersten Podcast-Wahlduell trafen.
Der Hintergrund: Freese (43) und Oetjens (49) treten mit ihren jeweiligen Teams am 21. November in der Wandsbeker Sporthalle gegeneinander an, um Tim-Oliver Horn, den bisherigen Vorsitzenden der Abteilungsleitung der Supporters, abzulösen.
HSV: Sorge über Corona-Folgen für Fankultur
Im Studio am Großen Burstah sprachen die beiden Kandidaten am Montag über ihr Wahlprogramm, Gemeinsamkeiten, Unterschiede und vor allem das schwierige Fan-Dasein in Corona-Zeiten. „Es gibt ja noch einen großen HSV-Kosmos außerhalb der professionellen Fußballwelt, dem es coronabedingt gerade gar nicht gut geht“, sagte Freese, der vor allem Fan-Institutionen wie die HSV-Kneipe Tankstelle auf dem Kiez, die Unabsteigbar am Stellinger Bahnhof oder den 1887-Store in der Stadt meinte.
Die beiden Kontrahenten waren sich schnell einig, dass diese Kultstätten der Fan-Kultur in Corona-Zeiten unbedingt unterstützt werden müssen, weil „sonst ein wichtiger Teil der HSV-Identität wegzubrechen droht“, wie Oetjens mit zustimmendem Kopfnicken Freeses betonte. Ohnehin waren sich die beiden Bewerber um den Vorsitz der mächtigen Fanorganisation Supporters Club in vielen Detailfragen sehr einig.
HSV-Supporters: Ein Wahlkampf ohne Wahlkampf
Von einem Biden-Trump-Duell waren und sind Freese und Oetjens glücklicherweise weit entfernt. „Ich könnte auch sehr gut mit Sven als neuen Supporterschef leben“, sagte Oetjens. Und Freese hielt sogar ein Plädoyer für seinen Konkurrenten: „Mehr ehrenamtliche Arbeit für den HSV als Martin hat kaum einer geleistet. Martin und seine Kollegen haben nach der Ausgliederung den Supporters Club am Leben gehalten. Da kann man nur Danke sagen“, lobhudelte Freese, der aber gleichzeitig gut begründen konnte, warum denn er und sein Team am 21. November gewählt werden sollten.
„Wir wollen eine neue Identität für den Supporters Club kreieren“, sagte Freese, der sich bisweilen eine „lautere und offensivere“ Abteilungsleitung wünschen würde. Oetjens betonte dagegen, dass er zusammen mit Horn in den vergangenen Jahren gut damit gefahren sei, nicht übereinander, sondern miteinander zu sprechen. Besonders die politischen Machtkämpfe in der Zeit vor der Ausgliederung 2014 hätten ihn und viele andere Anhänger abgeschreckt.
Muss der HSV politischer werden?
Obwohl auch Freese die Zeit der politischen Machtspielchen gerne hinter sich lassen würde, warb der frühere Fanbeauftragte des HSV dafür, als Supporters Club wieder sehr viel politischer zu werden. „Der Fußball ist politischer geworden. Da wollen wir und mein Team auch ansetzen“, sagte Freese – und erinnerte an die Diskussionen vor einem Jahr um Bakery Jatta. „Das war eine Reaktion der Fans, weil sich ein Medium gegen Baka und die Fans für ihn ausgesprochen hatten. In diesem Bereich müssen wir meiner Meinung nach noch viel aktiver werden.“ Sein Fazit: „Der HSV kann und muss politischer werden.“
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Vereinspolitisch zum großen Thema könnte sich die Debatte um einen angedachten Verkauf der AG-Anteile über der bisherigen Grenze von 24,9 Prozent entwickeln. „Anteilsverkäufe haben uns bislang gar nichts gebracht“, bezog Oetjens deutlich Stellung. „Die Diskussion ist müßig“, sagte auch Freese. „Die zusätzlichen Gelder haben dem HSV in den vergangenen Jahren nicht geholfen.“
Bevor der Wahlkampf in seine heiße Phase geht, geht erst einmal der Spielplan in die heiße Phase. Denn nach den Heimspielen gegen Aue und Würzburg folgt auch noch ein Heimspiel gegen den FC St. Pauli – vermutlich erneut vor maximal 1000 Zuschauern. Und vermutlich auch wieder ohne Freese und Oetjens.