Hamburg. Prof. Dr. Christian Sander, Chefarzt für Dermatologie an der Asklepios Klinik St. Georg, klärt radikal über Risiken und Irrtümer auf.

Sommer, Sonne, Strand. Was zu diesem Dreiklang nicht so recht passt, aber dennoch immer dazugehört, ist die Gefahr. Denn Strahlung ist nach wie vor der Risikofaktor Nummer eins für Hautkrebs.

Und die Zahl der Erkrankungen steigt – allein am weißen Hautkrebs, dessen sogenanntes Basalzellkarzinom der mit Abstand am häufigsten vorkommende Tumor überhaupt ist, erkranken in Deutschland jedes Jahr rund 200.000 Menschen.

Risiko für Hautkrebs: Kleinkinder nicht an den Strand

„Wir alle kennen den Spruch: Die Haut vergisst nie. Und genauso ist es – auch wenn es gern verdrängt wird“, sagt Professor Dr. Christian Sander in der „digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios. „Wenn ich mir schon in jungen Jahren oft die Haut verbrenne, ist es nicht unwahrscheinlich, dass dann vielleicht schon mit Ende 30 die entsprechende Diagnose kommt.“

Daher sei es entscheidend, Kinder, die immer eine sehr viel dünnere und damit noch empfindlichere Haut hätten als Erwachsene, besonders zu schützen. „In den ersten drei Lebensjahren haben Kinder am Strand nichts zu suchen“, sagt der habilitierte Mediziner, der die Eduard-Arning-Klinik für Dermatologie und Allergologie an der Asklepios Klinik St. Georg leitet. „Das Beste wäre, offen gesagt, wenn die Eltern andere Urlaubsziele raussuchten.

Falls es nun in den Ferien aber doch an die Nord- oder Ostsee, ans Mittelmeer oder an die Atlantikküste gehe, solle man darauf achten, dass der Nachwuchs einen Ganzkörperanzug trage („Kurzärmelig reicht nicht!“), der keine Strahlung durchlasse. „Das weiße Netzunterhemd, wie man es von einigen Herren aus den 1980er-Jahren kennt, hilft da gar nicht.“

Auch eine Mütze, die unbedingt die Ohren bedecken sollte, und eine Sonnenbrille seien für die Kleinen wichtig. „Die Haut, die nicht verdeckt ist, sollte man mit einer Sonnenmilch mit Lichtschutzfaktor (LSF) 50 eincremen“, rät der Dermatologe, der lange am Nationalen Krebsinstitut der USA geforscht hat und zu den renommiertesten Experten seines Fachs gehört.

Im Schatten kommt noch die Hälfte der vollen Strahlung an

Es sei nicht falsch, sich an den „italienischen oder spanischen Tagesrhythmus“ anzupassen. Heißt: Am besten gehe man frühmorgens (bis zehn Uhr) an den Strand und/oder am späten Nachmittag nach 16 Uhr. „Schauen Sie sich doch da mal in Rimini oder auf Mallorca in der größten Mittagshitze um. Einheimische finden sie da kaum, aber Tausende Urlauber, die in der Sonne braten.“

Nur in den Schatten zu wechseln, reiche nicht unbedingt aus: „Da kommt immer noch die Hälfte der vollen Strahlung an.“ Ein großer Trugschluss sei die leider immer noch weit verbreitete Annahme, sich am Meer an bedeckten Tagen nicht eincremen zu müssen. „Es ist natürlich trügerisch, wenn Wolken am Himmel sind. Aber Wasser und Sand reflektieren die Sonnenstrahlen so stark, dass sie dadurch immer besonders intensiv sind.“

Was der Lichtschutzfaktor für die Haut bedeutet

Was kaum jemand wisse: Auch im Auto und – je nach Alter der Maschine – auch im Flugzeug („Je höher man sich befindet, desto höher ist natürlich auch der UV-Anteil“) könne man einen Sonnenbrand bekommen. „Viele Scheiben lassen UV-Strahlen durch.“ Grundsätzlich sei es immer richtig, an sommerlichen Tagen auf Lichtschutzfaktor 50 zu vertrauen.

„Das bedeutet erst einmal, dass man 50-mal länger in der Sonne bleiben darf als ohne Schutz.“ Menschen hellen Hauttyps beispielsweise dürften sich ohne Schutz nur knapp 15 Minuten der Sonne aussetzen, Menschen mit dunklem Teint bis zu 40 Minuten. „Es ist aber nicht so, dass sich durch häufiges Eincremen der Schutz immer weiter verlängert“, sagt Professor Sander, der gern Opern hört, am liebsten Mozarts Zauberflöte, und historische Romane liest.

Jeder Hautkrebs ist im Frühstadium heilbar

Doch was, wenn der Hautkrebs da ist? „Jeder Hautkrebs, ob weiß oder schwarz, das sogenannte Melanom, ist im Frühstadium hundertprozentig heilbar.“ Wichtig sei es deshalb, regelmäßig vom Hautarzt ein sogenanntes Screening durchführen zu lassen – ab dem 35. Lebensjahr mindestens alle zwei Jahre, die Kosten trägt die Krankenkasse.

„Menschen in Partnerschaften rate ich, einander immer am ersten eines Monats zu untersuchen. So lassen sich in Form, Farbe, Größe und Erhabenheit veränderte Muttermale, aus denen schwarzer Hautkrebs entstehen kann, erkennen.“

Weißer Hautkrebs kann ins Gehirn wachsen

Tückisch: Das Basalzellkarzinom des weißen Hautkrebses verursache keine Schmerzen, streue nicht, wachse aber unaufhaltsam. „Wenn eine Stelle an der Stirn betroffen ist, kann es mit den Jahren durch den Knochen ins Gehirn wachsen und dann wird es verdammt gefährlich“, so der Mediziner.

Im Frühstadium, wenn eine schuppende Hautstelle mit perlsaumartigem Rand auffalle, könne der Tumor noch effektiv mit Salbe und einer speziellen Lichttherapie zerstört werden. Das Stachelzellkarzinom, die zweite Tumorart des weißen Hautkrebses, das sich mit einer Vorstufe, der aktinischen Keratose (weißliche Hautveränderungen), andeute, werde operativ entfernt – wie auch das Melanom. „Beide wachsen und bilden Tochtergeschwüre. Aber so weit muss es nicht kommen.“

Gesundheits-Podcast mit Asklepios

„Die digitale Sprechstunde“ ist die Gesundheitsgesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche beantwortet ein Experte die Fragen von Vanessa Seifert.

Nächste Folge: Dr. Sven Nagel, Chefarzt des Interdisziplinären Wirbelsäulen- und Skoliose-Zentrums an der Asklepios Klinik Wandsbek, über Rückenschmerzen. Der Orthopäde und Sportmediziner gibt auch Tipps zum Kauf des richtigen Schulranzens.

Haben Sie Anregungen? Schreiben Sie uns gern eine E-Mail an sprechstunde@abendblatt.de