Hamburg. Chefarzt PD Dr. Gunther Harald Wiest erklärt in der „Digitalen Sprechstunde“, wodurch sich die Chancen auf Heilung verbessert haben.

Wer raucht oder über Jahre zur Zigarette gegriffen hat, gilt als übermäßig stark gefährdet, an Lungenkrebs zu erkranken. Trotz enormer Fortschritte in der Forschung und deutlich verbesserter Heilungschancen zählt diese Erkrankung, an der allein in Deutschland jedes Jahr rund 40.000 Patienten sterben und die bei Männern die zweithäufigste und unter Frauen die dritthäufigste Krebserkrankung ist, nach wie vor zu den bösartigsten und tückischsten – auch, weil das Tumorwachstum oft schon weit fortgeschritten ist, wenn erstmals typische Symptome wie Bluthusten oder Schmerzen im Brustkorb auftreten.

Lungenkrebs: Heilungschancen stark verbessert

„Die Prognose ist tatsächlich am besten, wenn der Patient nicht wegen dieser Beschwerden kommt, sondern weil auf einem Röntgenbild rein zufällig irgendeine Veränderung entdeckt wurde“, sagt Privatdozent Dr. Gunther Harald Wiest in der „Digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios.

Sehr ernst sei es, wenn der Patient nicht nur über einen veränderten chronischen Husten oder Luftnot klage, sondern auch an Knochenschmerzen leide. „Dann ist es leider sehr wahrscheinlich, dass der Krebs schon gestreut und Metastasen gebildet hat“, sagt der Chefarzt der Pneumologie, also der Lungenabteilung, am Asklepios Klinikum Harburg.

Doch die Aussicht, den Kampf gegen den Krebs zu gewinnen, habe sich in den vergangenen Jahren stark verbessert, sagt der Lungenfacharzt. „Mehr als ein Drittel der Betroffenen kann komplett geheilt werden. Und zwar sind das jene Patienten, bei denen der Tumor mit einer Operation restlos entfernt werden kann“, so der Internist.

Immuntherapie bringt Fortschritt in Lungenkrebs-Behandlung

Aber auch neue Ansätze wie beispielsweise die Immuntherapie, für die erst im vergangenen Jahr zwei Forscher mit dem Medizin-Nobelpreis ausgezeichnet wurden, habe Fortschritt in die klinische Behandlung gebracht. Auch in Harburg setze man seit knapp drei Jahren darauf. „Es wird stärker differenziert als früher, Lungenkrebs ist im Prinzip nur noch eine Art Oberbegriff.

Mittlerweile wissen wir mehr über die einzelnen Tumore und deren Ursache. Das ermöglicht eine noch gezieltere Therapie – auch im fortgeschrittenen Stadium“, sagt der zweifache Vater.

Beispiel: So gebe es Tumorzellen, die sich extrem geschickt tarnten, indem sie das Molekül PD-L1 bildeten und so für das Immunsystem unsichtbar blieben. Nun sei man aber in der Lage, die entsprechenden Rezeptoren mit Antikörpern zu blockieren. „Der Tumor wird plötzlich wieder erkennbar und unser Immunsystem, das in solchen Fällen wirklich nicht lange fackelt, räumt das Ding ab“, erklärt der habilitierte Mediziner, dessen Berufswunsch auch ein bisschen genetisch bedingt gewesen sein muss: Großmutter, Vater, beide Schwestern – alles Ärzte.

Lungenkrebs vorbeugen? Sofort mit dem Rauchen aufhören

Kann man Lungenkrebs vorbeugen? „Am besten gar nicht erst mit dem Rauchen beginnen. Oder sofort damit aufhören. Das lohnt sich immer, auch nach Jahrzehnten“, sagt Dr. Gunther Harald Wiest und warnt gleichfalls vor den Gefahren des Passivrauchens.

„Bitte nicht die Kinder in der Wohnung oder im Auto einnebeln. Das erhöht das Risiko, dass der Nachwuchs in späteren Jahren an Lungenkrebs erkrankt.“ Auch von E-Zigaretten hält der Lungenexperte wenig. „Klar, das Dampfen ist weniger schädlich, das stimmt. Aber gesund ist das auch nicht.“

Doch nicht jeder, der an Lungenkrebs erkrankt, ist oder war zwangsläufig ein Raucher, oder? „Es ist zwar die mit riesigem Abstand größte Gruppe, aber natürlich gibt es auch jene, die am Arbeitsplatz mit Gift in Berührung gekommen sind, gerade in den 1970er und 80er-Jahren mit Asbest, und jene, bei denen es leider in der Familie Betroffene, also eine genetische Komponente gibt.“

Aber grundsätzlich sei das alles eine ziemlich klare Wahrscheinlichkeitsrechnung, sagt der Chefarzt in Hinblick auf das Risiko für Raucher. „Wenn Sie einmal nachts mit Vollgas über Rot rasen, passiert wahrscheinlich nichts. Machen Sie das jede Nacht, leben Sie wohl nicht lange.“

Ist es wirklich Krebs und falls ja, welche Form?

Und wie läuft die Untersuchung ab, wenn Patienten, und das sind mehrheitlich Männer im Rentenalter, mit dem Verdacht auf Lungenkrebs in die Klinik kommen? „Wir klären zunächst drei zentrale Fragen ab":

  • Erstens: Ist es wirklich Krebs und falls ja, um welche Form handelt es sich?
  • Zweitens: Wie weit hat sich der Krebs schon ausgebreitet?
  • Drittens: Welche Therapie können und sollten wir dem Patienten überhaupt zumuten, wie ist sein Allgemeinzustand?

„Wir messen zum Beispiel die Lungenvolumina.“ So könne es bei einem 85-jährigen Patienten beispielsweise deutlich sinnvoller sein, das Leben mit verschiedenen Maßnahmen um fünf gute Jahre zu verlängern, als eine „heroische OP“ durchzuführen, die dem Mann körperlich stark zusetze und von der er sich womöglich nur langsam erhole.

PD Dr. Wiest ist bei den Rotariern aktiv

„Insgesamt geht es uns immer darum, jeden Betroffenen individuell perfekt zu therapieren“, sagt der Chefarzt, der gern reist und sich als Präsident des Rotary Clubs Harburg engagiert. „Ich finde, wenn es einem gut geht und man Glück gehabt hat im Leben, dann hat man auch die Verantwortung, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.“ Das sei der Grundgedanke der Rotarier, der ihm selbst sehr sympathisch sei. „Es geht ums Helfen, das mag ich einfach.“

Gesundheits-Podcast mit Asklepios

„Die digitale Sprechstunde“ ist die Gesundheitsgesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche beantwortet ein Experte die Fragen von Vanessa Seifert.

Nächste Folge spricht Privatdozent Dr. Dr. Lars Marquardt , Chefarzt der Neurologie an der Asklepios Klinik Wandsbek, über Schlaganfälle. Wer ist besonders gefährdet? Was sind die ersten Anzeichen, was die Spätfolgen? Und wie kann ich als Angehöriger sofort helfen?

Sie haben Anregungen? Schreiben Sie uns eine E-Mail an sprechstunde@abendblatt.de