Hamburg. In der digitalen Sprechstunde erklären Dr. Saša Pokupic und Professor Dr. Gero Puhl ihre Arbeit mit dem vierarmigen Kollegen im OP.
Es klingt ein bisschen nach Science Fiction: ein Roboter im OP. Doch der Kollege Da Vinci, so heißt das Gerät, dessen Prototyp „Lenny“ 1997 im Silicon Valley konzipiert wurde, in Anlehnung an den Erfinder Leonardo Da Vinci, gehört in den großen deutschen Kliniken längst zum Team. 150 Roboter der mittlerweile vierten Generation sind derzeit hierzulande im Einsatz, und auch an den Asklepios-Kliniken in Altona und Harburg unterstützt der Roboter mitunter den Operateur, wenn beispielsweise die Blase oder die Speiseröhre eines Patienten entfernt werden muss.
„Wichtig zu wissen: Der Roboter macht natürlich nichts alleine. Er ist nur so etwas wie der verlängerte Arm des Arztes“, erklärt der Urologe Dr. Saša Pokupic vom Asklepios Klinikum Harburg. „Ja, es handelt sich um ein sehr, sehr präzises Werkzeug. Im Prinzip ist er der beste Assistent des Chirurgen“, ergänzt Professor Dr. Gero Puhl, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Asklepios Klinik Altona. Die Kollegen waren beide zu Gast in der „Digitalen Sprechstunde“, zum ersten Doppelinterview im Gesundheits-Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios.
Wie der Arzt mit dem Roboter im OP arbeitet
Doch wie funktioniert der Da Vinci-Roboter? „Der Operateur sitzt, je nach Länge des Kabels, zwei bis zehn Meter neben dem Patienten an einer eigenen Konsole. Über ein Schlaufensystem, das dem Zugriff in eine Bowlingkugel ähnelt, steuern wir das Gerät“, sagt Professor Puhl, der in den USA und an der Freien Universität in Berlin studiert hat, wo er lange in leitenden Funktionen an der Charité tätig war. Der Roboter selbst verfüge über vier Arme, wovon einer immer die Kamera trage. Mit den drei anderen Armen würden Instrumente wie Zange oder Schere gehalten.
Außerdem gehörten zur Ausstattung noch ein Kasten mit der elektronischen Steuerung sowie ein Bildschirm. „Die Füße des Operateurs sind auch nicht ganz still, mit ihnen gibt man Strom auf die Instrumente“, sagt Dr. Saša Pokupic, der täglich mit dem ICE von seinem Wohnort Hannover, wo er zuvor ein medizinisches Robotik-Zentrum aufgebaut hat, nach Harburg pendelt. „Es ist ein bisschen wie beim Orgelspielen. Man muss schon die richtigen Tasten treffen.“
Die Arbeit mit dem Roboter? "Ein bisschen wie Ferrari-Fahren"
Wie erfahren muss der Operateur also sein, um den Roboter zu nutzen? „Bedienen kann ihn vermutlich jeder ziemlich schnell“, sagt Gero Puhl, der habilitierte Chirurg. „Doch was das Operieren angeht, so braucht es schon eine gewisse Grundfertigkeit.“ So gebe es in der Regel zwei Konsolen. An der zweiten könne ein Kollege sitzen, der das robotische Operieren erlerne. „In der Chirurgie lernt man viel durch Sehen. Das gilt hier auch. Mit dem Vorteil, dass die zweite Konsole vom Prinzip her wie ein Fahrschulauto ist. Ich kann dem Kollegen die Kontrolle geben, mich aber jederzeit sofort einschalten.“
Genutzt werde der Da Vinci, der in der Anschaffung rund zwei Millionen Euro kostet und für den jährliche Wartungskosten von etwa 150.000 Euro veranschlagt werden, vor allem für komplexe und lange dauernde Eingriffe. „Es ist ein tolles Tool. Es ist schon ein bisschen wie Ferrari-Fahren. Wer das mal gemacht hat, will nichts anderes mehr“, sagt Dr. Saša Pokupic, selbst Fan schneller Autos und Porschefahrer.
Patienten erholen sich schneller nach robotischen OPs
Entscheidend sei aber natürlich der Vorteil für die Patienten, sagt der Mediziner, der seit zehn Wochen am AK Harburg tätig ist: „Wir sehen, dass sie sich teilweise nach einer robotischen OP viel schneller erholen als nach Eingriffen herkömmlicher Art.“ Auch der Operateur profitiere von dem System: „So eine lange OP ist eine absolute Konzentrationsleistung und auch eine körperliche Belastung“, sagt Professor Puhl.
Und nach einer solchen OP sei der Arbeitstag des Arztes ja noch lange nicht beendet. „Es gibt Messungen, die zeigen, dass es bei den Operationen mit dem Roboter beim Operateur keinen Konzentrationsabfall gibt und er erholter und damit leistungsfähiger aus dem OP-Saal kommt.“
Die Nachfrage nach dem OP-Roboter ist groß
Nicht von ungefähr gebe es eine große Nachfrage nach „Dr. Da Vinci“. „Man beobachtet auf Kongressen schon, dass da einige wenige sind, die in ihrer Klinik so einen Roboter haben und ganz viele, die gern einen hätten“, sagt Professor Puhl, dreifacher Vater. Dass die Debatte um die hohen Kosten des Geräts - die Instrumente müssen zum Beispiel auch nach zehn Eingriffen komplett neu angeschafft werden – vor den Patienten geführt wird, hält er nicht für sinnvoll. „Es ist eine zahlungsfreie Leistung für den Patienten. Insofern sind die Kosten allein die Entscheidung des Krankenhausträgers, der sich mit der Anschaffung eben auch dazu entscheidet, direkt am medizinischen Fortschritt teilzuhaben.“
Die Robotik sei eine Triebfeder für Weiterentwicklung, ist der Chirurg sicher. „Ja, da wird noch einiges kommen“, stimmt auch Dr. Saša Pokupic zu, dessen Entscheidung für das Fachgebiet der Urologie genetisch bedingt gewesen sei: „Mein Vater ist Urologe, mein Bruder ist Urologe - was sollte ich da machen?“
Der Gesundheits-Podcast mit Asklepios„Die digitale Sprechstunde“ ist die Gesundheitsgesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche beantwortet ein Experte die Fragen von Vanessa Seifert. Nächste Folge: Dr. Gundula Frank, Leiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Schmerztherapie an der Asklepios Klinik Nord-Heidberg, über die Behandlung von chronischen Schmerzen wie Rückenleiden oder anhaltenden Kopfschmerzen. Haben Sie Anregungen? Schreiben Sie uns eine E-Mail an sprechstunde@abendblatt.de |