Hamburg. Digitale Sprechstunde: Im Abendblatt-Podcast erklären Ärzte ihr Fachgebiet. Heute: Wie Patienten lernen, mit Schwindel umzugehen.
Wie auf einem Karussell, das sich immer schneller drehe. Als sitze man auf einem dieser Pferdchen und könne einfach nicht absteigen, weil die wilde Fahrt immer weitergehe. „So beschreiben ganz viele Patienten, die zu uns kommen, ihr Schwindelgefühl“, erzählt Dr. Silja Strauß in einer neuen Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem gemeinsamen Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Der Eindruck, zu schwanken oder den Boden unter den Füßen zu verlieren – es ist nach Rückenschmerzen bundesweit der derzeit zweithäufigste Grund, warum Patienten ihren jeweiligen Hausarzt aufsuchen. „Schwindel ist einfach ein extrem weit verbreitetes Symptom, das ganz verschiedene Ursachen haben kann. Die muss man natürlich zunächst einmal herausfinden – und zwar am besten an einem Ort, an dem Experten verschiedener Disziplinen zusammenarbeiten“, sagt die 38-Jährige.
Die Plätze in der Tagesklinik in St. Georg sind stark gefragt
Aus diesem Grund hat Asklepios im Februar im Beisein von Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) in St. Georg die Tagesklinik Schwindel eröffnet, die von Dr. Silja Strauß geleitet wird. Das Zentrum ist schon jetzt ein großer Erfolg, denn die Plätze – derzeit zehn pro Woche – sind schon weit im Voraus belegt und stark gefragt. „Wir hoffen, dass wir unser Angebot bald ausbauen können, denn der Bedarf ist da“, sagt die Medizinerin, die in Hamburg aufgewachsen ist und auch hier studiert hat. „Der Vorteil ist, dass wir von der ärztlichen Diagnostik über gezielte Übungen mit dem Physiotherapeuten bis zur Gesprächstherapie mit einem Psychologen alles unter einem Dach anbieten.“
Denn oft hätten die Patienten schon eine regelrechte Odyssee hinter sich, sagt die Fachärztin der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. „Es fängt beim Hausarzt an, der empfiehlt dann einen HNO-Arzt oder den Besuch beim Neurologen. Dann dauert das aber erfahrungsgemäß, bis man einen Termin bekommt und schon ist wieder ein Monat rum und der Patient leidet weiter.“ Viele Patienten, die über längere Zeit unter Schwindel leiden, trauen sich irgendwann nicht mehr aus dem Haus – aus Angst vor Stürzen. „Dieses Vermeidungsverhalten führt wiederum zu Vereinsamung.“
Schwindel kann ganz verschiedene Ursachen haben
Von Schwindel geplagt seien eher Menschen ab 50, es gebe aber auch deutlich jüngere Patienten. Es komme eben immer auf die Ursache an. „Häufig ist das Innenohr ein Auslöser“, sagt Dr. Silja Strauß, die mit ihrem Mann, einem IT-Spezialisten, und der fünfjährigen Tochter in der HafenCity lebt. „Es passiert, dass sich Kristalle, die im Innenohr abgelagert sind, aus ihrer Matrix lösen und dann schlicht falsche Infos an die Nerven weitergeben. Das kann zu Lagerungsschwindel führen.“ Aber auch Schädigungen des zentralen Nervensystems, wie sie die Neurologen in der Tagesklinik St. Georg feststellen können, oder internistische Erkrankungen wie Diabetes können Schwindel verursachen.
„Das Wichtigste ist und bleibt das Gespräch mit dem Patienten“, sagt die Expertin. „Und diese Zeit versuchen wir uns immer zu nehmen. Denn nur so erfährt man, was den Patienten wirklich umtreibt.“ Denn natürlich könnten auch die Wechseljahre, Menstruationsbeschwerden oder Stress im Job oder im Privaten zu Schwindelgefühlen führen. „Die Kernfragen sind: Wie lange hält das Gefühl an – ein paar Sekunden oder mehrere Stunden? Ist es mit Übelkeit verbunden, mit Kopfschmerzen oder Sehschwierigkeiten?“
In die Tagesklinik kommen die Patienten von montags bis freitags gegen neun Uhr morgens, um 16 Uhr gehen sie wieder nach Hause. Bis dahin ist der Tag gefüllt mit Therapien. Oft gehe es darum, Strategien zu entwickeln, um mit dem Schwindel klar zu kommen und Stürze zu vermeiden. „Ich leite diese Klinik wahnsinnig gern, weil man den Erfolg sieht“, sagt Dr. Silja Strauß, deren Mutter Arzthelferin war und die deshalb schon früh ein Interesse für die Medizin entwickelt hat. „Ich habe schon einige Patienten erlebt, die kamen mit einem Gehwagen zu uns und haben die Klinik dann nach einer Woche ohne Stock verlassen. Das zu sehen, das ist die beste Motivation für mein Team und mich.“
Gesundheits-Podcast mit Asklepios
„Die digitale Sprechstunde“ ist die Gesundheitsgesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche beantwortet ein Experte die Fragen von Vanessa Seifert.
Nächste Folge: Prof. Dr. rer. nat. Sasha Marrakchi, Leitender Neuropsychologe an der Asklepios Klinik Barmbek, über Demenz - von der Diagnostik über die Therapie bis zur Hilfe für Angehörige.
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