Hittfeld. Ernte vor den Toren Hamburgs: Warum junge Familien freiwillig aufs Feld ziehen und wie Kinder frische Möhren lieben lernen.
Ein grüner Trecker rumpelt zwischen Hittfeld und Emmelndorf über holprige Wege. In den zwei Anhängern sitzen gutgelaunte Eltern mit ihren Kindern. In den Händen halten sie Eimerchen und Plastikschäufelchen, aber auch Spaten und Grabegabeln. Heute geht’s zur Kartoffelernte. Nur zum Spaß. Und der fängt bereits jetzt an: Bei jeder Kurve, bei jedem Huckel juchzt das bunte Völkchen, als sei die Fahrt zum Feld ein joyride auf dem Dom.
Was die Eltern antreibt: Sie wollen ihren Kindern vermitteln, dass Kartoffeln nicht im Gemüseregal des Supermarktes wachsen, sondern mühsam ausgegraben werden müssen. Und dass Möhren, frisch aus der Erde gezogen, viel besser schmecken als so manche Süßigkeit.
Gebuddelt wird auf den Feldern des Hofes Meyer-Sahling in Emmelndorf
Das Kartoffelbuddeln, zu dem der Biohof Overmeyer in Emmelndorf eingeladen hat, findet bereits zum zehnten Mal statt. Gebuddelt wird auf den Feldern des Hofes Meyer-Sahling. Von hier stammen auch die Kartoffeln in Bioqualität, die in Overmeyers Hofladen angeboten werden. Heute sitzt Senior Hans-Hermann Meyer-Sahling am Steuer des Treckers. Gekonnt bugsiert er das Gefährt durch die idyllische Landschaft, die vergessen lässt, dass in unmittelbarer Nähe die Großstadt Hamburg beginnt.
Nach einer Viertelstunde hält der Landwirt an einen Ackerrand und zeigt auf eine Fläche mit jeder Menge Unkraut über den tiefgezogenen Furchen. Hier im Boden stecken sie, die Kartoffeln. Und wer sie haben will, muss sich bücken.
Den – leeren - Fünf-Kilo-Sack gibt’s für fünf Euro
Meyer-Sahling greift zur Geldkassette und verkauft Säcke an die Teilnehmer. Den – leeren - Fünf-Kilo-Sack gibt’s für fünf Euro. Mit Kartoffeln füllen müssen ihn die Teilnehmer selbst. Die vierjährige Lena aus Harburg ist dabei schon ein echter Profi. Mit Energie und Grabegabel sticht sie in die Erde und befördert nach und nach tatsächlich bräunliche Knollen an die Oberfläche, die ihr Opa Torsten Woischig in den Sack sortiert, während Lenas kleine Schwester Hanna lieber Blümchen pflückt.
Die Sonne brennt vom blauen Septemberhimmel. So mancher wischt sich den Schweiß von der Stirn. Das Unkraut – üppig wuchernder Beweis, dass die Meyer-Sahlings keinerlei Unkrautvernichter, keine Insektizide verwenden, sondern ausschließlich Bioware in Demeter-Qualität produzieren – macht das Graben mühsam. Und die Kartoffeln, die nach der Wühlerei zum Vorschein kommen, sind klein. „Die schlechteste Ernte, die ich seit 40 Jahren erlebt habe“, bedauert Meyer-Sahling, dem die Teilnehmer, die für die Buddelei angereist sind, fast ein wenig leidtun.
Meyer-Sahlings haben auf zehn Hektar Ackerfläche jetzt Goldmarie am Start
Ein Pilz namens Phytophtora habe viele Kartoffelpflanzen Ende Juni befallen und verkümmern lassen. Linda, eine alte Sorte und seit Jahren eine Lieblingskartoffel der Deutschen, ging als Erste zugrunde. Die Meyer-Sahlings haben auf ihren zehn Hektar Ackerfläche jetzt Goldmarie am Start. Festkochend und aromatisch. Trotz Pilz hielt sie länger durch als ihre Schwester Linda. Auch Gunda und Leyla seien widerstandsfähige neue Sorten, erklärt der 72-Jährige Senior. Allerdings gelten sie als nicht festkochend und eignen sich damit eher für Püree, das nur noch die wenigsten selbst zubereiten.
Unbeirrt buddelt das buntgekleidete Völkchen weiter. Dirk Benndorf aus Rönneburg hebt stolz einen prall gefüllten 5-Kilo-Sack in die Höhe. Sein Erfolgsgeheimnis: „das richtige Werkzeug“. Bosse und Fiete (beide 7) haben mit ihrer Mutter Katharina sogar einen 10-Kilo-Sack dem Boden abgetrotzt. „In der Garage lagern“, empfiehlt Bauer Meyer-Sahling, „dann halten die den ganzen Winter.“
Möhren ziehen? „Gut anhäufeln, wenig düngen, viel gießen“
Ivonne Dentgen aus Buchholz freut sich schon drauf, die Ernte gemeinsam mit ihren Söhnen Henry (3) und Finn (6) zu leckeren Gerichten zu verarbeiten. Sie und ihre Jungs lieben das Kochen, aber auch das Essen vom Hof Overmeyer. Nun haben sie gesehen, wo dieses Essen herkommt. Ein rundherum gutes Gefühl.
Meyer-Sahling lässt aufsitzen. Jetzt geht es zum Möhrenfeld in der Nähe des Hittfelder Golfplatzes. Ein paar Schritte über den Acker - und da sind sie: Dick und rot schauen die Wurzeln unter dem dichten Grün aus dem Boden. Zugreifen, ziehen – und schon ist der Erntesack voll. Ein Erfolgserlebnis, zumal nicht wenige Hobbygärtner daran scheitern, im eigenen Garten Möhren zu ziehen. „Ist eigentlich ganz einfach“, so Meyer-Sahling. „Gut anhäufeln, wenig düngen, viel gießen“, ist sein Tipp.
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Zufriedene Gesichter, als der Trecker wieder den Biohof Overmeyer ansteuert. So manches Kind wischt die Erde von einer frischgeernteten Karotte und beißt rein. „Leeeecker“, finden die Lütten. Am Hof ist inzwischen ein zweiter Ernte-Shuttle losgefahren, der weitere Familien auf die Felder transportiert. Eine große Gruppe wartet schon auf eine dritte Abfahrt. „Kartoffeln sind aus“, verkündet ein Overmeyer-Mitarbeiter. „Aber Möhren gibt’s noch reichlich.“
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