Sie sind Partner. Im Beruf wie im Privaten. Die Serie über erfolgreiche Paare. Kerstin und Uli Overmeyer von „Overmeyer Landbaukultur“
Wenn ein Mensch genau weiß, was er erreichen möchte, wenn er seine Ziele klar vor Augen hat und an sich glaubt, dann ergibt sich ein Weg. Da ist sich Kerstin Overmeyer sicher. Wenn Skepsis und Ängste gezähmt, Mut und Optimismus zur treibenden Kraft werden, wenn das Selbstvertrauen stark ist und an der Seite ein Mensch steht, der die Träume teilt, dann ist kein Berg zu steil, kein Tal zu dunkel, kein Wasser zu tief, als dass man es nicht bezwingen könnte. Der Weg kann dann schon das Ziel sein. „Der Prozess“, wie Kerstin Overmeyer das nennt. „Die Freude daran, wie sich etwas entwickelt, verändert und wächst.“
Sie weiß genau, was sie will. Schon als kleines Mädchen, wenn sie mit ihrem Pferd Leiftur über die Felder rund um Buchholz galoppiert: draußen sein, in der Natur, eine Familie gründen mit vielen Kindern. Sie will Mutter sein. Aber auch einen Beruf ausüben, der sie packt, aber nicht von ihren Kindern trennt. Sie träumt von einem Hof, von Rotznasen und Gummistiefeln, von eigenen Feldern, auf denen Gemüse wächst. Und von einem Partner, der die gleichen Träume hat wie sie.
Er weiß genau, was er will. Schon als kleiner Junge, wenn er die Nachmittage auf dem Hof von Vaters Cousine verbringt. Sich die Zeit vertreibt zwischen Kühen, Schweinen und Bullen: draußen sein, in der Natur, Gemüse anbauen, Felder bestellen, Tiere züchten. Er träumt von einem Hof, von der Arbeit als Bauer und einem Leben im Kreislauf der Jahreszeiten.
Sie haben ihre Träume nie aus den Augen verloren. Sonst säßen die beiden heute nicht hier, auf ihrem alten roten Trecker inmitten von Streuobstwiesen, Hecken und Feldern. Sie hätten nicht diesen wunderschönen Hof mit seiner ökologischen Landwirtschaft, der Manufaktur und dem Hofladen am Rande von Emmelndorf erbaut. Und sie hätten niemals sieben Kinder geboren.
Es gibt keine Trennung von Beruf und Familie. Alles ist immer und überall. 500 Quadratmeter groß ist das Geschäft, 40 Gemüsesorten werden auf den eigenen Feldern gezogen. Kartoffeln, Möhren, Rote Bete, alles, was die heimische Natur so hergibt.
Es gibt eine eigene Gallowayherde, Ziegen, zwei Pferde und demnächst auch noch Hühner. „Der Hof ist wie unser 8. Baby“, sagt Uli Overmeyer. Geboren wurde es vor knapp zehn Jahren, als die Overmeyers bereit waren für den ganz großen Schritt.
Doch erstmal sind es kleine. Angefangen hat alles in der Reuterstraße in Bonn. Das war Anfang der Neunziger Jahre. Uli hat dort seine Wohngemeinschaft. Kerstin trifft er regelmäßig an der Uni. Die beiden studieren Agrarwissenschaften. Sie findet ihn gut. Er hat kein Auge für sie. Bei der Arbeit im Labor spürt sie, dass dies der Mann ist, mit dem sie auch ohne große Worte gut zusammenarbeiten kann. Sie himmelt ihn an. Doch er hat andere Sachen im Kopf.
Möglichst schnell will er durchs Studium sein, endlich wieder Zeit haben, auf dem Feld zu stehen. An den Wochenenden arbeitet er auf einem Biohof bei Dortmund. Das sind seine Sternstunden. Wenn er montags in die Stadt zurückkommt, bringt er meistens etwas von der Ernte mit. Die Mitbewohner der Bauern-WG ebenso: Spargel, Schinken, frisch gebackenes Brot. So viel und so gut, dass sich das rumspricht.
Kerstins beste Freundin Oda, die mit Ulis Mitbewohner Rüdiger zusammen ist, erzählt Kerstin von der „Reutermensa“. „Montagabend kann man hier wunderbar schmausen“, sagt sie. „Komm doch mal mit.“ Und Kerstin kommt mit. Doch es dauert, bis Uli sich erweichen lässt. „Ich habe mich festgebissen wie ein Terrier“, sagt Kerstin Overmeyer.
„Aber die Nuss war nicht zu knacken.“ Immerhin verbringen sie jetzt mehr Zeit miteinander. Als er nach Lessenich, einen Vorort von Bonn zieht, sucht sie sich eine Wohnung in der Parallelstraße. Sie radeln gemeinsam zur Uni, stibitzen sich auf dem Rückweg in den Feldern Gemüse, sie kochen gemeinsam. „Und irgendwann hat es bei Uli ,Summ’ gemacht.“
Gemeinsam beenden sie ihr Studium in Kiel. Die Semesterferien verbringt sie bei ihren Eltern in Buchholz. Manchmal besucht sie den Hof von Hans-Hermann Meyer-Sahling in Emmelndorf. „Von so etwas träume ich auch“, erwähnt sie nebenbei. Weihnachten 1994 klingelt ihr Telefon. Hans-Hermann ist dran. „Kerstin, willst du wirklich?“, fragt er.
Da stecken die beiden mitten im Diplom. Sie sagen dennoch zu, teilen sich eine Stelle, pflanzen Salate, Kohl, Steckzwiebeln an. Schließlich pachten sie den bestehenden Hofladen, 30 Quadratmeter Fläche hinter wackeligen Kuhstallfenstern. Das ist der Anfang. Im Jahr darauf heiraten sie. Es ist eine richtige Bauernhochzeit in der Scheune mit Danz op de Deel. Kerstin ist glücklich. Einerseits. Doch manchmal kommen die Zweifel. „Willst du das wirklich, einen Hofladen im Autobahndreieck?“ Sie spielen Alternativen durch. „Was ist mit den Träumen von einem Leben im Ausland?“ Sie fliegen nach Australien. Schauen sich eine Farm an. Sie haben bereits alle Einreisepapiere zusammen, als ihnen klar wird, wo sie wirklich hingehören: nach Deutschland.
1997 wird Sohn Lars geboren, ein Jahr später folgen Vera, dann Freya, Wiebke, Liv, Oke und vor sechs Jahren Eike. Gleichzeitig wächst das Geschäft. Immer mehr Kunden kommen in den Laden, der inzwischen auf 300 Quadratmeter erweitert wurde. Es sind gute Zeiten auf Meyer-Sahlings Hof. Doch der Wunsch nach etwas eigenem bleibt. 2008 fassen die Overmeyers einen Entschluss. Sie wollen einen eigenen Hofladen bauen, einen richtigen Betrieb mit Bauernhaus, Manufaktur und Tierhaltung. Kurzerhand ruft Kerstin Overmeyer den damaligen Seevetaler Bürgermeister, Günter Schwarz, an. Und bekommt prompt einen Termin.
Von da an nimmt alles seinen Lauf. Es ist ein gewaltiges Projekt, das die beiden Landwirte auf die Beine stellen wollen. Aber sie glauben an sich und ihre Idee. Und sie sind bereit, rund um die Uhr dafür zu arbeiten. Sie hat die Visionen, er den Taschenrechner. Sie strotzt vor Optimismus, er lässt sich anstecken. Sie ergänzen sich. Und sind sich doch in vielem gleich. „Das ist eine super Kombination“, finden sie. „Es gibt kein Mitreißen, kein Bremsen, wir nähern uns an. Das ist langatmig, mühsam und kostet Kraft. Aber es schweißt zusammen.“ Ein Vollzeit-Job.
Erst der Bau, dann die Eröffnung vor zwei Jahren. 40 Mitarbeiter beschäftigen sie. Und dann sind da noch die Kinder. Die jüngsten, Liv, 12, Oke, 9 und Eike, 6, sind quasi mit dem Bau des neuen Unternehmens aufgewachsen. „Die kennen uns nur arbeitend“, sagt Uli. Das macht ihm zu schaffen. Dass er als Vater nicht ausreichend zur Verfügung steht, keine Zeit hat zum Baumhaus bauen oder Bolzen. Weil Landwirtschaft nun mal keinen Sonntag kennt. Es immer etwas zu tun gibt, egal ob im Sommer oder Winter.
Wenn Uli grübelt, macht Kerstin Mut. Wenn er zweifelt, rückt sie ihn zurecht. Und führt ihm vor Augen, dass das Leben ihrer Kinder zwar anders, nicht aber schlechter ist. Im Gegenteil. Wer kann schon eben mal ein Lagerfeuer machen, Stockbrot backen? Oder mittags mit Eltern und Mitarbeitern am langen Holztisch in der offenen Küche Gemüse frisch vom Feld verspeisen?
Und dennoch gibt es Momente, und sie werden mehr, wo der Familie bewusst wird, dass es auch anderes geben muss, als nur die Arbeit. Wenn es am Tisch immer um den Hof geht, bremsen die Kinder schon mal das Gespräch. „Die Kinder sind unsere Wächter“, sagt Kerstin Overmeyer.
Wie sie das schaffen? Die Frage stellt sich nicht. Sie schaffen einfach. Weil sie es sich so ausgesucht haben. Diesen Weg ganz bewusst gegangen sind. „Wir verwirklichen uns gemeinsam“, sagt sie. „Das setzt unglaublich viel Energie frei.“ Und dann gebe es Momente, die so erfüllend seien, dass sich die Frage nach dem Schaffen-können gar nicht mehr stellt. „Wenn ein frisch geborenes Kalb sich an die Mutterkuh kuschelt, im Sommer das eigenen Feld bestellt und geerntet wird“, sagt Uli, „dann weiß ich, dass meine Leben keine Bürde ist, sondern ein Geschenk.“
Der Biohof Overmeyer (Emmelndorfer Straße 55) feiert am 30. April von 11 bis 18 Uhr ein Frühlingsfest mit Feldrundfahren, Hof-Rallye, Strohburg, großem Bio-Staudenmarkt, landgemachter Musik, Tombola und vielem mehr.