Seevetal/Hamburg. Er ist Ex-Steuerberater von Helmut Schmidt, sie eine angesehene Bildhauerin. Nun feiert das Paar eiserne Hochzeit im Landkreis Harburg.

Sie hat als begnadete Bildhauerin Hamburg und Umgebung mit zahlreichen Kunstwerken bereichert, er als selbstständiger Wirtschaftsprüfer und Steuerberater über Jahrzehnte bedeutende Unternehmen und Persönlichkeiten der Hansestadt begleitet. Jetzt begehen Walther von Diest und Sabine von Diest-Brackenhausen ihren 65. Hochzeitstag.

Die Eiserne Hochzeit wird am Donnerstag, 22. August, um 11.30 Uhr in der Hittfelder Mauritiuskirche gefeiert. Die Andacht hält kein Geringerer als Karl-Hinrich Manzke. Der Landesbischof im Ruhestand, der zu den führenden Theologen unserer Zeit zählt, ist Walther von Diests Patensohn. Walther ist selbst tief religiös. Auf die Frage, was ihre lebenslange Partnerschaft getragen hat, antwortet er spontan: „Der Glaube.“ Sie sagt: „Die Liebe“. Und beide gemeinsam: „Wertschätzung.“ Sie haben einander stets gegenseitig bewundert.

Eiserne Hochzeit: Als Walther und Sabine sich kennenlernen, sind sie 27 Jahre alt

Als sie sich kennenlernen, sind beide 27 Jahre alt. Walther studiert Betriebswirtschaft und schreibt an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg eine Doktorarbeit zum Thema „Die gesetzliche Berichterstattung und die Publizität der Commercial Banks in den Vereinigten Staaten“.

Sabine ist kürzlich aus England nach Hamburg zurückgekehrt, um an der Hochschule für Bildende Künste ihre Ausbildung zu vervollständigen. Zuvor hatte sie mit Stipendium der Royal Academy of Arts ein Studium an der Polytechnic School of Art in London absolviert und anschließend in Kent Bildhauerei gelernt.

Walther von Diest und Sabine von Brackenhausen am Tag Ihrer Hochzeit. Repro: Martina Berliner
Walther von Diest und Sabine von Brackenhausen am Tag Ihrer Hochzeit. Repro: Martina Berliner © HA | martina berliner

„Wenn Sie Fräulein von Brackenhausen sind, sind Sie bei mir goldrichtig.“ Mit diesen Worten stellt sich von Diest vor, als sie einander erstmals bei der Hochzeit eines befreundeten Paares begegnen. Beide sind Trauzeugen, die Freunde haben das Treffen arrangiert, um die beiden zusammenzubringen. Und es funktioniert. Sabine zeigt sich von ihrem stattlichen Tischherren beeindruckt, Walther gefällt Sabines zarte Schönheit.

„Wenn Sie Fräulein von Brackenhausen sind, sind Sie bei mir goldrichtig“

Mehr noch aber begeistert ihn ihr Musik- und Kunstverstand, der sich kurz darauf bei gemeinsamen Besuchen klassischer Konzerte und Ausstellungen offenbart. Von Diest, schon damals ein versierter Musikliebhaber, stellt fasziniert fest, dass Sabine ihm auf diesem Gebiet durchaus gewachsen ist. „Ich konnte eine Zugabe nicht bestimmen. Sie aber erkannte sogleich den ersten Satz eines Streichquartetts von Haydn“, erinnert sich der nunmehr 93-Jährige. Als die junge Frau ihn auch in Kunst-Ausstellungen mit ihrem Wissen verzaubert, ist es um ihn geschehen. „Sie konnte so wunderbar Matisse und seine Bilder schildern.“

Dass seine Angebetete wie er selbst einer Familie „von Stand und Ehre“ entstammt, erleichtert von Diest die Entscheidung zusätzlich. Er ist als Sohn eines Gutsbesitzers in Hinterpommern aufgewachsen. „Meine Mutter war eine Bürgerliche. Sie hatte es nicht leicht, in der Gesellschaft anerkannt zu werden.“ Bereits fünf Monate nach der ersten Begegnung verloben Walther und Sabine sich heimlich. Kurz darauf machen sie ihr Eheversprechen öffentlich und gut ein Jahr später, am 22. August 1959, läuten die Hochzeitsglocken in der Groß Flottbeker Kirche.

„Stehendes Kind“ schmückt bis heute die Schule Wielandstraße in Eilbek

Sabine ist zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreich künstlerisch tätig. Ihr „Stehendes Kind“, eine Plastik von 1957, schmückt bis heute die Schule Wielandstraße in Hamburg-Eilbek, der „Pfau“ von 1959 stand vor dem Uniklinikum Eppendorf, bis er gestohlen wurde. Walther, obwohl sehr konservativ erzogen, unterstützt seine Frau in ihrer Berufstätigkeit, zur damaligen Zeit ungewöhnlich. Weil in Hamburg keine Wohnung mit Atelier zu finden ist, wird 1967 in Helmstorf ein Haus mit einem großen, über zwei Stockwerke reichenden Arbeitsraum gebaut. Sabine kann zwischen Küche, Kinderzimmern und Atelier pendeln.

Hier entstehen in den Folgejahren Dutzende Plastiken und Büsten. Meist stellt Sabine Kinder oder Tiere dar. So findet sich ihre „Mädchengruppe“ vor der Schule in der Eißendorfer Straße in Harburg, „Freundinnen“ sitzen in Maschen auf dem Dorfplatz. Der Gebetsleuchter „Dornbusch“ in der Mauritiuskirche in Hittfeld und das Taufbecken in der Christuskirche in Fleestedt stammen ebenfalls aus Händen von Sabine von Diest-Brackenhausen. Ihre Arbeit ist der Künstlerin sehr wichtig. Dennoch steht die Familie für die zweifache Mutter stets im Vordergrund.

Die Büsten der Enkelkinder von Sabine von Diest-Brackenhausen stehen in ihrem Atelier.
Die Büsten der Enkelkinder von Sabine von Diest-Brackenhausen stehen in ihrem Atelier. © HA | martina berliner

Walther von Diest macht indes als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Karriere. Er betreut große Hamburger Verlage wie Gruner+Jahr, den Spiegel und den Zeitverlag, geht bei Rudolf Augstein und Gerd Bucerius ein und aus. Zu seinen Mandanten zählen auch Hamburger, die später Ehrenbürger werden.

Helmut Schmidt: Nach den Jahren als Bundeskanzler berät ihn Walther von Diest

Nach seiner Zeit als Bundeskanzler lässt sich Helmut Schmidt von Walther von Diest in Steuer- und Wirtschaftsfragen beraten und auch schulen. „Ich will es nicht nur wissen, ich will es wirklich verstehen“, soll Schmidt gesagt haben. Von Diest erklärt dem Politiker oft und lange. Er arbeitet gewissenhaft und gründlich. Sein Name hat in der Geschäftswelt bis heute guten Klang. Davon kündet fast drei Jahrzehnte nach Walther von Diests Ausscheiden die Kanzlei „Von Diest, Grewe und Partner mbB“.

Doch von Diests Leben dreht sich nie ausschließlich um Finanzen. Als tief gläubiger Mensch fühlte er sich der evangelischen Kirche und sozialen Diensten verbunden. 18 Jahre lang wirkt er im Kirchenvorstand der Hittfelder Gemeinde, engagiert sich im Bauausschuss für die Gründung des Alten- und Pflegeheims Haus Kirchberg und im Musikausschuss für die Orgelrenovierung in der Mauritiuskirche. Über Jahrzehnte hält er Andachten. Er ist engagierter Johanniter und aufgrund seiner langjährigen ehrenamtlichen Mitarbeit Träger des Goldenen Kreuzes der Diakonie.

Der Gebetsleuchter „Dornbusch“ von Sabine von Diest-Brackenhausen schmückt die Hittfelder Mauritiuskirche. 
Der Gebetsleuchter „Dornbusch“ von Sabine von Diest-Brackenhausen schmückt die Hittfelder Mauritiuskirche.  © HA | martina berliner

Auch die Jagd gehört zu seinen Passionen. Dabei geht es ihm im Alter vor allem um das Naturerlebnis. Nach der Pensionierung reitet er durchs russische Altaigebirge. „Ohne einen einzigen Schuss abzugeben.“ Einen anderen lebenslangen Wunsch erfüllt sich erst spät. Walther von Diest wollte schon immer ein Instrument spielen. „Als junger Mann, nach der Flucht, hatte ich kein Geld dafür. Später fehlte mir die Zeit dazu.“ Mit 57 Jahren beginnt er, Cello zu lernen, spielt bald voller Begeisterung Sonaten.

Ehepaar von Diest: Das Alter von 93 Jahren macht sich gesundheitlich bemerkbar

Das ist lange vorbei. Das Alter von 93 Jahren lässt weder Notenlesen noch Jagdausflüge zu. Sabine schafft es nicht mehr, länger in ihrer Werkstatt zu stehen. Ihre letzte Arbeit, ausgetrocknet und rissig, bleibt unvollendet. In den Regalen sind Abgüsse von Büsten ihrer fünf Enkel aufgereiht. Eines ihrer Werke schmückt draußen ein Blumenbeet: „Der Kleine Prinz“ aus dem Jahr 1985.

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Einen Steinwurf entfernt, im Gartenhaus der von Diests, wohnt seit zwei Jahren eine dreiköpfige Familie aus der Ukraine. Walther und Sabine bemühen sich, den Geflüchteten eine neue Heimat zu geben, deren Deutschkenntnisse zu verbessern, ihnen Perspektiven zu eröffnen. Sie selbst sitzen oft im Wohnzimmer, dessen Panoramafenster einen weiten Blick über den sanft gewellten Geesthang am Rande des Seevetals gewährt.

Die beiden mögen die Aussicht über Garten, Felder und Wiesen. Auch nach 65 Ehejahren genießen sie jeden gemeinsamen Tag. Glaube, Wertschätzung, Liebe? Sie sind sich schließlich einig. „Am wichtigsten ist die Liebe“.