Undeloh. Elke Stoll war Ende 60, als sie ihr erstes Buch schrieb. Nun ist ihr der nächste Volltreffer gelungen: Ein Kriminalroman zum Mitmachen.
Jens aus Undeloh ist unauffindbar. Seine Lebensgefährtin Kathrin verzweifelt. Denn die Polizei will nicht ermitteln. Die junge Frau bittet den pensionierten Kriminalinspektor Udo Muhler und dessen Frau Anna um Hilfe. Als die beiden Rentner rekonstruieren, was Jens, ein Key-Account-Manager aus der Pharmabranche, die letzten Tage vor seinem Verschwinden gemacht hat, entsteht das Bild einer widersprüchlichen Persönlichkeit. Ist Jens, der Bilder von Totholz hinterlassen hat, etwa depressiv? Ist er pädophil, wie ein Nacktfoto nahelegt? Oder ist er in einen Erpressungsskandal um ein neues Krebsmedikament verwickelt?
Das kann der Leser selbst entscheiden. Denn Jens Gabow ist eine Romanfigur, der das Rentnerpaar quer durch die Lüneburger Heide und später durch ganz Deutschland folgt. Geschrieben hat die spannende Geschichte die in Undeloh lebende Elke Stoll. Die 72-Jährige hat mit ihrem dritten Buch „Das Chamäleon Syndrom“ einen Krimi zum Mitmachen geschaffen.
Krimi aus der Lüneburger Heide: Wer klug geraten hat, kommt schneller zum Ziel
An entscheidenden Weichenstellungen wird der Leser befragt, welche Lösung des Falls er für die wahrscheinlichste hält, und findet dann den Hinweis auf die Seite, auf der er den entsprechenden Handlungsstrang weiterverfolgen kann. Wer klug geraten hat, kommt schneller zum Ziel.
„Meine Testleser haben mir berichtet, dass sie trotz der vielen Entscheidungsmöglichkeiten alles gelesen haben, denn sie wollten ja nichts verpassen“, lacht Elke Stoll. Wie die Story endet, gibt sie nicht preis. Auch nicht bei den zahlreichen Lesungen in ganz Norddeutschland, für die sie in den nächsten Wochen gebucht ist. „Das müssen Sie schon selbst nachlesen“, findet sie.
Die Campingplätze der Lüneburger Heide als Schauplätze des Romans
Der Kriminalroman speist sich aus dem an Erfahrungen reichen Leben der Autorin – das war auch schon bei ihrem erfolgreichen Erstling „Das Schneewittchen-Syndrom“ und dem Titel „Vom Glück, 70 zu sein“ so.
Die gebürtige Hamburgerin, die die Wochenenden ihrer Kindheit und Jugend mit ihren Eltern auf einem Campingplatz in der Heide verbracht hat und seit 30 Jahren mit ihrem Mann in Undeloh lebt, kennt die Wege im Naturschutzgebiet in- und auswendig. Ebenso wie die zahlreichen Campingplätze, die sie in ihrem Krimi beschreibt, um ihre Leser auf die Spur des verschwundenen Pharma-Managers zu führen, der, wie sie selbst, gern im Caravan übernachtet.
Die Welt der Pharmaindustrie kennt Elke Stoll bestens
Die Medizin- und Pharmabranche ist der Krimiautorin sehr gut bekannt. Seit vielen Jahren ist Elke Stoll nach einer Ausbildung zur Pharmareferentin als Kommunikationstrainerin und Mediatorin für Ärzte und Pharmazeuten tätig. Der Kontakt zu einem Unternehmen, das Medikamente gegen den anaphylaktischen Schock entwickelt, weckte in ihr den Wunsch, eine breitere Öffentlichkeit über die Gefahren der Insektengiftallergie zu informieren, die bei wiederholtem Stich tödlich enden kann.
Doch sie fand keine Autoren, die sich dem Thema widmen wollten. Also entschied sich Elke Stoll, selbst in die Computertasten zu greifen. Schreiberfahrung hatte die damals 68-Jährige bis dahin nur mit Drehbüchern für Unterrichtsfilme gesammelt, die sie – als gelernte Realschullehrerin – nach dem Ausstieg aus ihrer kurzen Schulkarriere entwickelt hatte.
„Ich hielt das damalige Schulsystem für stark reformbedürftig und habe meine Entscheidung nie bereut“, sagt sie. Auch in ihren späteren Texten ging es eher um wissenschaftlich gestützte Methoden zur Kommunikationsverbesserung.
Ein Volkshochschulkurs und drei Fachbücher – mehr brauchte es nicht
Also belegte sie einen Volkshochschulkurs in kreativem Schreiben, las drei Fachbücher und fand in Books on Demand in Norderstedt einen Verlag. Damit war die Romanautorin Elke Stoll geboren. Beim Schreiben von „Das Schneewittchen-Syndrom“ merkte sie schnell, wie schwer es ist, leichte Unterhaltungsliteratur zu schaffen, in der eine plausible Handlung über einen hohen Spannungsbogen zu einem logischen Ende führt. Überbordende Brutalität und Schilderungen von Grausamkeiten braucht Elke Stoll nicht, um ihre Leser bei der Stange zu halten.
Inzwischen ist die Undeloherin in beiden Berufen, dem Trainer- und Autorinnendasein, zu Hause, wobei die Liebe zum Bücherschreiben fast schon überwiegt. Ihr zweites Werk „Vom Glück, 70 zu sein“, entstand in der Corona-Phase aus Kurzgeschichten, die sie für drei Freundinnen zum Geburtstag geschrieben hatte und die sie, als strenge Ausgangssperren herrschten, per Telefonkonferenz vortrug. Als nach Ende des Lockdowns ihre Bekannten drängten, „nun los Elke, schreib doch endlich weiter“, entschied sie sich, zwölf Storys als Buch zu veröffentlichen, das mit seinem Titel fast schon provokativ die Freuden des Alterns preist.
„Ich empfinde jetzt eine große Gelassenheit, die ich früher so nicht hatte“
Ist es wirklich schön, alt zu werden, Elke Stoll? Sie, die am Kaffeetisch ihres Heidegartens in der Sonne sitzt und den Spätsommer genießt, sagt voller Überzeugung: „Meine Lebensbilanz ist positiv, und ich empfinde jetzt eine große Gelassenheit, die ich früher so nicht hatte.“
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Ihr neuer Roman stellte in seiner Machart noch einmal besondere Anforderungen an die disziplinierte Autorin, die am liebsten schon morgens um vier Uhr am Schreibtisch sitzt. Nämlich die, dass auch die Leser, die im Buch nur einzelne Handlungsstränge verfolgen, zu einem Ende geführt werden, bei dem alle Verwicklungen gelöst und alle Fragen erklärt sind.
Um das zu erzielen, hat sie auf einem Whiteboard die Grundelemente des Plots und die verschiedenen Tagesabläufe notiert, die das Rentnerduo bei seinen Ermittlungen verfolgt. Jedem Handlungsstrang hat sie eine eigene Farbe zugeordnet.
Den Lesern immer neue Spuren legen, um sie zu narren
Die 72-Jährige freut sich nun auf die Begegnungen mit ihrem Publikum. Und hat Freude daran, für ihre Leser immer wieder neue Spuren zu legen, um sie zu narren. „Ich sitze dann wie der Fuchs im Bau und warte darauf, dass sie mich finden“, sagt sie in Erinnerung an ein Spiel aus ihrer Kinderzeit.
Daran, ein neues Buch zu schreiben, denkt sie derzeit noch nicht. „Die Veröffentlichung eines Buches ist wie eine Geburt. Man muss sich erstmal davon erholen“, sagt sie. Aber ganz ausschließen will sie es auch nicht, denn fast täglich erlebt sie Dinge, die sie, die mehr als 4000 Titel zu Hause gesammelt hat, aufgreifen möchte. Am liebsten zwischen zwei Buchdeckeln.