Undeloh. Elke Stolls Geschichten handeln von der Gelassenheit des Alters. In der KVHS Maschen empfängt sie nun zur „etwas anderen“ Lesung
Das Gefühl, Anfängerin zu sein, macht Elke Stoll keine Angst. Warum auch? Wenn man eine Anfängerin ist, sagt sie mit ruhiger Stimme, dann hat man alles Recht der Welt, Fehler zu machen. So ist die 71-Jährige immer durchs Leben gegangen, so ist sie Autorin geworden. Im Corona-Jahr 2020 erschien ihr erster Roman „Das Schneewittchen-Syndrom“, 2021 dann der Kurzgeschichten-Band „Vom Glück, 70 zu sein – Geschichten für jedes Lebensalter“.
Einmal geht es um eine Frau, die sich mit 70 Jahren verliebt; ein Opa gibt seinem Enkel Nachhilfe beim Schreiben eines Liebesbriefes – analog trifft digital. Manche Kapitel klingen schon im Inhaltsverzeichnis wie eine Hommage an Loriots „Szenen einer Ehe“ – „Der Einkaufszettel“ zum Beispiel. Bei ihrer Lesung am kommenden Freitag in der KVHS Seevetal soll es allerdings nicht nur um den Inhalt der Kurzgeschichten gehen. Sondern auch um die Botschaften, die sie transportieren („Nur die anderen werden alt!“).
Frau Stoll, Sie haben vor Kurzem die Schwelle zu den Siebzigern übertreten – wie fühlen Sie sich?
Elke Stoll: Da liegt es tatsächlich nahe, den Titel meines neuen Buches zu zitieren, wobei der Begriff Glück für mich fast schon ein bisschen verbraucht ist. Was heißt eigentlich Glück? Für mich bedeutet dies zum Beispiel, in bestimmten Situationen gelassen zu bleiben. Und außerdem dabei nicht den Zwang zu haben, etwas erreichen zu müssen. Und das ist wunderschön.
Könnten Sie ein Beispiel nennen?
Da nehme ich einfach eine Kurzgeschichte aus meinem Buch, sie heißt: „Vom Abenteuer, einen Roman zu schreiben“, denn genau das war es bei meinem ersten Roman. Da bin ich in einen unglaublichen Flow gekommen, wie man so schön sagt, und das ist ja nichts anderes als ein Glücksgefühl. Sie hingegen, wie alt sind Sie eigentlich?
Ich bin dieses Jahr 45 geworden.
Ja sehen Sie, wenn Sie sich jetzt entscheiden, einen Roman zu schreiben, würde viel mehr davon abhängen, auch ihr Renommee als Schreiberin, als Journalistin. Bei mir war da keine Angst, was sein würde, würde sich mein Roman nicht verkaufen. Davon wäre die Welt nicht untergegangen. Kein Auftrag wäre mir dafür flöten gegangen – ich brauche keine mehr. Und das ist ein tolles Gefühl, denn es bedeutet etwas Großes: Freiheit.
War es dann auch ein befreiendes Gefühl, in das zweite Belletristik-Projekt zu starten?
Die Kurzgeschichten habe ich fast alle im ersten Corona-Lockdown geschrieben, als das Leben, wie wir es bislang kannten, zum Erliegen gekommen war. Es gab ja so viele tolle Ideen damals, ein Nachbar zum Beispiel hat immer sonntags ein kleines Posaunenkonzert auf seinem Balkon gegeben. Und ich fragte mich, was ich machen könnte. Ich habe dann kleine Telefonkonferenzen organisiert mit Frauen, von denen ich wusste, dass sie entweder allein lebten oder krank waren. Denen habe ich etliche Wochen immer eine neue Geschichte vorgelesen.
Und wie war das?
Toll. Ich bekam spontane Rückmeldungen, ein Gespräch entwickelte sich, meist eine ganze Stunde lang. Und als ich irgendwann sagte, dass ich keine Geschichten mehr habe, hieß es: Ja Elke, dann streng dich an!
Welche der Kurzgeschichten ist denn besonders gut angekommen?
„Die Umweltsau“. Darin bringt eine Großmutter ihrer 17-jährigen Enkelin das Leben in den 1960er-Jahren nahe, versetzt sie hinein in die Zeit, als sie selbst 17 Jahre alt war. Leider sind viele Passagen unfreiwillig aktuell geworden. Da geht es etwa um das Thema Heizen, und wie die Großmutter gefroren hat als Kind, weil der Ofen erst mittags in Betrieb genommen wurde, damit man es abends kuschelig warm hatte. Und dass morgens trotzdem nur kaltes Wasser aus der Dusche kam.
Das ist interessant, denn genau darum geht es ja auch im Dialog der Generation „Fridays for Future“ mit ihren Großeltern: Wie habt ihr das damals gemacht, als es nicht viel gab? Gibt es noch ein weiteres Beispiel aus Ihrem Buch?
Ja, in der Kurzgeschichte „Die Übersetzungshilfe“ geht es um das Aufeinandertreffen von analoger und digitaler Kommunikation und wie sich Alt und Jung vielleicht gegenseitig helfen können. Ich habe das Kapitel neulich bei einem Kongress vorgelesen, da waren sehr viele junge Menschen dabei. Von denen gab es am Ende einen Riesenapplaus.
„Was steckt dahinter?“ Die etwas andere Autorenlesung in Kooperation mit der Kulturstiftung Seevetal. Freitag, 14. Oktober im KVHS-Haus Maschen, Schulkamp 11a. Beginn: 19 Uhr. Eintritt frei, Anmeldungen per E-Mail unter kvhs@LKHarburg.de.