Hittfeld/Nenndorf. Lebensmittelhändler wider Willen, doch mit Leidenschaft. Dem Sohn gibt der Ex-Edeka-Chef in Hittfeld und Nenndorf mehrere Lehren mit.
Ihre Wohnstube bauten Herbert Meyers Eltern nach dem Krieg zum einen Lebensmittelgeschäft um. Die Möbel flogen dafür raus. Mit dem Tante-Emma-Laden zogen auch Stress und Streit in die eigenen vier Wände ein. In die Fußstapfen seines Vaters wollte Meyer deswegen niemals treten.
Weil er es auf Anraten eines Bekannten doch tat und als Kaufmann stets in Bewegung blieb, konnte der heute 66-Jährige seinem Sohn Jonas Meyer (24) zwei gut laufende Standorte in Hittfeld und Nenndorf übergeben. Ein ständig wachsendes Unternehmen innerhalb der bundesweiten Edeka-Genossenschaft mit zurzeit 170 Mitarbeitern in der Spitze. Angefangen hatte er in den 1980er-Jahren mit sieben Angestellten.
Größter Rückschlag der Karriere: Ein Großbrand, der seinen Supermarkt in Nenndorf komplett vernichtete.
Edeka Meyer in Hittfeld und Nenndorf: Stiller Abschied vom Senior-Chef
Offiziell ist Sohn Jonas Meyer bereits seit März 2023 am Ruder. Vater Herbert mischt noch mit, will sich aber bald gänzlich zurückziehen. Ein gewollt leiser Abgang, den nur das Team unter sich feierlich beging.
Den Sohn nun Chef sein zu lassen, falle dem Senior nicht immer leicht:
„„Ich kann nicht sagen, dass es unproblematisch ist, sich rauszuhalten.““
Seinen Platz habe er aber geräumt. „Auf dem Chefsessel sitzt jetzt Jonas.“ Als Edeka-Meyer-Kaufmann in dritter Generation.
Meyer-Märkte sind preisgekrönt – doch das Einkaufserlebnis ist kostspielig
Dass Herbert Meyer viel richtig machte und das Vater-Sohn-Gespann zuletzt gemeinsam gute Entscheidungen traf, bescheinigen viele positive Online-Rezensionen und die jüngsten Auszeichnungen. So kürte eine Fachjury den Nenndorfer Eingangsbereich zur „Besten Obst- und Gemüseabteilung in Deutschland 2023“. Im Jahr 2022 landete Edeka Meyer unter den Top-3 bei der Wahl des Supermarkts des Jahres 2022.
Ein Problem: Den allgemeinen Fachkräftemangel spürt auch Edeka Meyer zunehmend. „Das alles geht nur mit hohem Personaleinsatz und mit den richtigen Mitarbeitern“, erläutert Herbert Meyer. Bedienung an der Frischetheke, Mitarbeiter im Blumenladen, Ansprechpartner in der Obst- und Gemüseabteilung – überall brauche es qualifizierte Menschen, die im Umgang mit Kunden stets freundlich bleiben. Und das koste viel Geld.
In Krisenzeiten gegen Aldi und Co: Vater und Sohn gehen auf Risiko
In Krisenzeiten entschieden sich Vater und Sohn zudem für hohe Investitionen – und damit für das Risiko. Auch, weil sie sich stets von den Discountern absetzen müssen: „Wenn die Kunden bei Aldi rausgehen, müssen sie bei uns reinkommen und ,Wow’ sagen“, so Herbert Meyer über die Strategie, die den Wohlfühl- und Erlebnisfaktor beim Einkaufen in den Mittelpunkt stellt.
Das gelte umso mehr in Zeiten, in denen die Preise stark steigen und die Menschen verstärkt aufs Geld achten. Der Senior sagt: „Es sind schwierige Zeiten für Jonas.“ Doch die Maßnahmen wie die gerade eröffnete Weinstube mit Küche und Mittagstisch in Nenndorf würden sich bereits auszahlen.
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Vom Dorfladen zum riesigen Supermarkt: So startete Herbert Meyer
Wie sein Sohn heute machte er sich im Alter von 24 Jahren selbstständig. Die Welt war damals eine völlig andere. Denn während der Markt in Nenndorf heute Lebensmittel und Waren auf 3000 Quadratmetern präsentiert, kauften die Menschen in Herbert Meyers Jugend noch in den klassischen Tante-Emma-Läden ein. Er selbst wuchs in so einem Geschäft auf. Mit 14 stand er das erste Mal allein am Tresen des elterlichen Unternehmens.
Ein Blick in die Edeka-Historie verrät: Im Jahr 1954 führten die ersten Geschäfte die heute selbstverständliche Selbstbedienung ein. Im Laufe der 70er-Jahre stellte sich die große Genossenschaft (ursprünglich als E.d.K. gegründet, die „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin) neu auf und nahm Abstand von Tante-Emma-Prinzip.
Erkenntnis nach dem Großbrand 2007: „Du bist eine Institution hier“
Herbert Meyer übernahm 1982 zunächst das Geschäft seiner Eltern in Wulfsen – ganz im Osten im Landkreis Harburg. Mitte der 80er-Jahre wechselte er den Standort und führte den Laden eines alteingesessenen Edeka-Mitglieds in Nenndorf an der Bremer Straße fort. 460 Quadratmeter Verkaufsfläche hatte er dort, das sei zu jener Zeit „richtungsweisend“ gewesen.
2001 baute er an der Eckeler Straße neu, wo heute der große Edeka-Markt steht. In vier Stufen wuchs das Geschäft von 1500 auf die heutige Größe von 3000 Quadratmetern an.
Im Jahr 2007 zwischenzeitlich die große Katastrophe: Der sechs Jahre zuvor gebaute Markt in Nenndorf brannte bis auf die Grundmauern nieder. Der Markt wurde im selben Jahr in größerer Form wiederaufgebaut und 2017 noch einmal erweitert.
Meyer sei durch das Feuer noch einmal bewusst geworden, was er schon aus Kindertagen wusste: Lebensmittelgeschäfte sind insbesondere im ländlichen Raum viel mehr sind als reine Versorger. Dem Ort habe einer der sozialen Treffpunkte gefehlt. „Mir wurde klar: Du bist eine Institution hier.“
Neue Standorte: Auf Hittfeld sollte Jesteburg folgen
Dazu passt, dass sich der Supermarkt-Chef stets auf die Entwicklung seiner Standorte konzentrierte, statt auf eines großes Filialnetz zu setzen. Was nicht bedeutet, dass Standorterweiterungen für die Meyers keine Rolle spielen. 2009 kam das Edeka-Geschäft in Hittfeld hinzu.
Optionen prüfte Meyer senior immer sehr genau. Vor einigen Jahren unternahm er den Anlauf, in Jesteburg ein Nahversorgungszentrum zu bauen. Zu aktuellen Plänen möchte sich die Familie nicht öffentlich äußern.
Klar ist: Jonas Meyer möchte die Strategie seines Vaters fortführen. Auch die grundsätzliche Philosophie wolle er fortsetzen. Dazu gehört, als Chef ein familiäres Verhältnis zu seinen Angestellten zu pflegen und im Markt präsent zu sein. Genauso wichtig sei es aber auch, Leute zu Verantwortungsträgern aufzubauen und sich an der richtigen Stelle zurückzuziehen, sagt Herbert Meyer. Auch, um das Privatleben nicht zu kurz kommen zu lassen.
Edeka Meyer: Kunden reagieren stets empfindlich auf Ladenumbau
Ein besonders empfindliches Feld sei die Ladenumgestaltung. Jeder Umbau werde von teils harscher Kritik begleitet, weil die Artikel nicht mehr an den gelernten Plätzen stehen. Eine Gratwanderung, denn für die Meyers ist es wichtig, am Ball zu bleiben und die Erkenntnisse von persönlichen „Store Checks“ im ganzen Land in die eigenen Geschäfte einfließen zu lassen. 2020 integrierte Jonas Meyer etwa ein Unverpackt-Konzept in Hittfeld. In den Worten der Meyers: „Stillstand ist Rückgang.“ Und: „Immer ein bisschen mehr machen als der Wettbewerb, darum geht es.“
Auch im Ruhestand möchte sich Herbert Meyer nicht einfach im Schaukelstuhl zurücklehnen, sondern sich seinen zahlreichen Hobbys widmen. Dazu gehören: Westernreiten, Motorradfahren und die Musik.